Wunderheiler mit Kamm und Schere
Er gehört mit zu den ältesten Berufen der Menschheit. Geachtet und verstoßen, geliebt und gehasst. Die Rede ist vom Friseur. Der Beruf lässt sich dabei bis in die graue Vorzeit zurückverfolgen. Schon in China oder Mittelamerika waren um 4.000 vor unserer Zeitrechnung geschickte Hände am Werk, die kultivierten Zeitgenossen das Kopfhaar schnitten, glätteten, wellten, die Frauen schminkten und die Männer vom Bartwuchs befreiten oder ihn auf die richtige Länge stutzten. Im alten Rom erhielt die Körperpflege, vor allem das Baden, einen hohen Stellenwert. Vornehme Römer ließen sich die ersten „Spa-Bereiche” errichten und bekamen dort kosmetische Behandlungen und den Haarschnitt.
Auch in unseren Regionen war es nicht anders. Der römischen Tradition folgend entwickelten sich im frühen Mittelalter die ersten öffentlichen Badestuben, die von sogenannten Badern betrieben wurden. Ihre Tätigkeit beschränkte sich zunächst nur auf das Zubereiten von Bädern und das Haar- und Bartscheren. Doch hier wurden dem Urberuf des Haarkünstlers im Laufe der Zeit noch zahlreiche weitere Gewerbe aufgedrückt. Der Barbier (er arbeitete außerhalb der Badestuben) oder Bader war im Mittelalter zusätzlich zu dem Haupthaar auch für die Körperpflege, Kosmetik und sogar Teilgebiete der sich erst entwickelnden Chirurgie, Zahnmedizin und Augenheilkunde verantwortlich. Auch Medikamente wurden beim damaligen Friseur hergestellt und neben der Arbeitsstätte – meist das örtliche Badehaus – unterhielten die Bader und Barbiere die „kleine Chirurgie“. Hier durften sie kleine Wunden versorgen und Brüche richten. Da den Medizinkundigen wie Diakonen und Priestern mit einem Edikt aus dem Jahr 1215 von Papst Nevini III. verboten wurde, Operationen, wo Blut fließen konnte, vorzunehmen, mussten diese Arbeit die Bader übernehmen. So oblag ihnen zum Beispiel das Aufschneiden und Ausbrennen der äußerst schmerzhaften Pestbeulen, aber auch der als Allheilmittel gepriesene Aderlass und das Schröpfen.
Obwohl Bader und Barbiere für das Wohlbefinden des mittelalterlichen Menschen eine wichtige Rolle spielten, galt der Beruf – wie Henker, Tänzer, Totengräber, Gaukler oder Abdecker – lange als nicht standeswürdig. Da sie Kranke, Verwundete und Pflegebedürftige berührten, gehörten sie zu den sogenannten „unehrlichen“ Berufen, die sich in keiner Zunft organisieren durften. So durften sie auch nicht in Gasthäusern speisen und bekamen bei den Gottesdiensten in den Kirchen die hintersten Plätz zugewiesen. Erst Mitte des 16. Jahrhunderts erhielten die Bader durch Reichsgesetze die Möglichkeit, ein anderes Handwerk zu erlernen. Den Niedergang der Badekultur leitete das Auftreten von Seuchen wie Pest und Syphilis ein. Damit war auch die Blütezeit der Badestuben beendet. Der Beruf des Barbiers entwickelte sich zunehmend zu einem eigenständigen Handwerk.
Eine Modewelle im 16. Jahrhundert gab den Haarkünstlern neuen Auftrieb: Die Coiffeure entwickelten sich als wahre Haarkünstler, indem sie ein neues Berufsfeld zum Leben erweckten – den Perückenmacher. Die Kunsthaare waren von nun an aus den vornehmen Kreisen nicht mehr wegzudenken. Sie galten als Symbol der Abgrenzung zwischen arm und reich und wurde nicht nur von den Damen, sondern auch von den Herren getragen. Von nun an genossen die Friseure als Perückenmacher einen hohen gesellschaftlichen Status und wurden als Künstler betrachtet.
Erst im 19. Jahrhundert traf man rechtliche Regelungen zur Arbeitsteilung von Bader, Barbieren und Wundärzten, sodass sich der Barbierberuf von dem des Chirurgen loslösen konnte. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden so Innungen, die die Gruppen der Barbiere, Bader, Heilgehilfen und Damen- und Herrenfriseure in einer Innung zusammenfassten. Seit Verabschiedung des Gesetzes zur Ordnung des deutschen Handwerkes im Jahr 1953 gehört das Friseurhandwerk zur Gruppe der Gewerbe für Gesundheits- und Körperpflege sowie der chemischen und Reinigungsgewerbe.
Barbier und Bader sind heute aus der Umgangssprache verschwunden. Heutzutage nennen sich Friseure und Friseurinnen selbstbewusst Hairdresser, Hair-Artists, Coiffeure oder Stylisten. Die Vielseitigkeit und Kreativität des heutigen Friseurberufes verdankt sich sowohl dem Wandel des Berufsbildes, als auch den großen schöpferischen Leistungen der Friseure.