Wir machen den Hasselbachplatz lebendig

Der Hasselbachplatz ist der lebendige Mittelpunkt der Stadt, zumindest, wenn der Abend hereinbricht. Vor rund 20 Jahren begann hier ein neuer Pulsschlag. Aber die Situation ändert sich. Wie verhalten sich Kommunalpolitik und Verwaltung? Und was sagen die Gastronomen, die für die Magnetwirkung des Platzes sorgen?
Der Nachtpuls der Stadt schlägt am Hasselbachplatz. Hier kommen in den Abendstunden die meisten Menschen zusammen. Hier herrscht die höchste Lokaldichte. Das war nicht immer so. Bis 1990 war der Hasselbachplatz vorrangig ein Knotenpunkt für den öffentlichen Nahverkehr. Tausende stiegen hier auf dem Weg zur und von der Arbeit in eine andere Straßenbahnlinie um. Zur Nacht war der Ort mit seinen dunkelgrau schmutzigen Fassaden leergefegt. Abendliche Anlaufpunkte waren einzig das am 15. Oktober 1960 gegründete Weinstudio „Grün-Rot“ und das fünf Jahre später eröffnete Café IMPRO. Von Anfang der 90er Jahre bis 2000 war die Gaststätte „Zum Alten Dessauer“ ein Treff für viele Selbstständige, Politiker und Medienleute. In der Sternstraße entstanden die ersten Szenekneipen. Doch mit fortschreitender Sanierung der alten Gründerzeithäuser begann das Areal um den Kreisverkehr neu zu atmen.
Café und Bar „M2“ war und ist ab 2001 schnell zu einem Magneten geworden. Erst kam das „Kartell“ dazu. Dann das „Escape“ (2003) und die „Coco Bar“ (2004), die „Liebig Lounge“ (2005), „Curry54“, „Kucaf“und viele andere mehr. Asiatische Küche, Döner, griechische Speisen, mediterrane und andere Angebote finden sich im gastronomischen Kosmos des bunten Kneipenviertels.
Die Nacht ist immer vorrangig in den Händen junger Menschen. Waren es vor 20 Jahren noch die heute 40- bis 60-Jährigen, so tummeln sich dort heute um Mitternacht wiederum hauptsächlich Menschen in der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren. Das nachtaktive Freizeitpotenzial ist enorm bunt und sorgt in seiner Schwungmasse für Lautstärke und Reibung. Überhaupt hat sich die Nachtaktivität junger Menschen verändert. Ein großer Teil zieht erst ab 23 Uhr um die Häuser. In Magdeburg gilt für den Hasselbachplatz die Sperrstunde ab 1 Uhr morgens. Zu dieser Zeit müssen die Gastronomen Terrassenbetriebe einstellen. Das Treffen, Trinken und Feiern muss dann in die Lokale verlegt werden. Nur lassen sich eben viele Menschen, vor allem angetrunkene nicht einfach so steuern, wie es die Regeln vorgeben und die Gaststättenbetreiber dies durchsetzen müssen.
Wegen des Rauchverbots stehen Gäste vor den Kneipen. Andere, vor allem die ganz Jungen, ziehen um den Platz. Kaufen sich Getränke in den Spätverkaufsstellen und belagern den Ort rund um die öffentlichen Bänke oder nutzen Sitzgelegenheiten der bereits eingestellten Terrassenbetriebe. Und wie es leider möglich ist, kommt es dabei unter einigen Leuten auch zu unschönen Auseinandersetzungen. Manchmal sogar derart ausufernd, dass die Polizei einschreiten muss. Ende Juni eskalierte die Situation, als Beamte die Personalien von Streithähnen aufnehmen wollten. Am Ende lieferten sich 150 Randalierer mit zusammengezogenen Polizeikräften eine sich zuspitzende Gewaltorgie. Flaschen flogen und viele verbrüderten sich gegen die einschreitende Ordnungsmacht.
Der Aufschrei danach war groß. Und es geht nach dem Ausufern so einer Situation stets um die Suche nach Schuldigen und Ursachen. Der Hassel war damit schnell als Problembezirk in den Schlagzeilen. Uli Bittner, Betreiber der „Liebig-Lounge“ hält die anschließende Aufregung für völlig überzogen. Mit dieser Meinung steht er unter seinen Kollegen nicht allein. In der Stadtverwaltung schaut man seither genauer hin und die Polizei ist ebenfalls senibilisiert. Offenbar führt nun genau die verstärkte Aufmerksamkeit zu neuen Konflikten. Für Leute, die sich nach 1 Uhr auf der Terrasse eines Lokals befinden, flattert einem Gaststättenbetreiber schon mal die Androhung eines gepfefferten Bußgeldbescheides vom Ordnungsamt ins Haus. Da geht es schnell um einen vierstelligen Strafbetrag.
Eskalation führt zu weiterer Eskalation. So könnte man grundsätzlich den Prozess beschreiben. Und natürlich verändert sich auch das Publikum. Problematisch sind eigentlich nur jene, die gar nicht die Kneipen und Lokale nutzen. 2005 reagierte die Stadt auf eine ähnliche Situation mit einem zeitlich und örtlich begrenzten Alkohlverbot für die Zone. Allerdings ist das Verbot vom Oberverwaltungsgericht des Landes kassiert worden. Damit steht so ein Mittel nicht zur Verfügung.
Gegen den Vorschlag des Beigeordneten Holger Platz, der den Abbau von Bänken anregte, reklamierte eine Gruppe mit dem Namen „Bad Kids Magdeburg“ den Hassel für sich. „Wenn ihr versucht uns zu vertreiben, dann gibt’s halt Stress“, hieß es in der Mitteilung der Gruppe. Die Mitglieder riefen zum Widerstand gegen neue Sicherheitskonzepte auf. „Wir werden uns nicht verdrängen lassen. Wir feiern da, wo wir wollen“, so die Verfasser. Der Hasselbachplatz gehört keiner Gruppe, sondern allen Magdeburgern und vor allem Gäste der Stadt sollen sich hier wohlfühlen, genauso wie die Rechte der Anwohner berücksichtigt werden müssen und die Betreiber der zahlreichen Kneipen und Bars gute Existenzbedingungen benötigen. Im Prinzip braucht hier jeder jeden. Ohne Gastronomievielfalt keine Gäste, ohne Gäste kein lebendiges Viertel. Wer ein einzelnes Interesse in den Vordergrund drängt, bringt das Leben aus dem Gleichgewicht. Wollte also beispielsweise „Bad Kids Magdeburg“ den Ort für muntere Partystunden nach 1 Uhr vereinnahmen, sägen sie letztlich am Ast, auf dem alle sitzen. So eine Entwicklung wollen weder Anwohner, noch Lokalbetreiber und auch niemand in der Stadtverwaltung.
Marcel Koke vom „Kartell“ hat einen guten Vorschlag: „Es fehlen Events mit Magnetwirkung. Gemeinsame Veranstaltungen wie ein Weihnachtsmarkt mit Kiezcharakter oder ähnliches sollten wir gemeinsam planen und umsetzen.“ Alexander Neumann vom „Kucaf“ sagt: „Magdeburg ist zwar eine Großstadt, aber dennoch klein genug, dass sich Ereignisse schnell herumsprechen.“ Wie immer machen dann Interpretationen vieler Unbeteiligter über die Tatsachen die Probleme noch größer als sie wirklich sind. Es werden um den Hassel auch Drogen verkauft. Die Polizei hat darauf längst ein Auge. Will jedoch nicht nur die kleinen Fische fangen, sondern den Hintermännern auf die Schliche kommen.
Magdeburg braucht ein Nachtleben mit bunten Kneipen rund um den Hasselbachplatz. Die Betreiber haben den Ort im Herzen der Stadt mit ihren vielseitigen Angeboten belebt. Jeder ist hier ein Baustein für die Anziehungskraft von Gästen. Die Magdeburger Regelungen für den Hassel sind sogar äußerst moderat. In der Metropole Köln müssen Biergärten und Außengastronomie spätestens um 24 Uhr schließen. Nach britischem Vorbild sollte die letzte Bestellung spätes-tens bis 23:45 Uhr aufgenommen werden und bereits ab 22 Uhr darf von der Außengastronomie kein Lärm mehr ausgehen. Die Elbestadt ist offenbar offener für Gastronomen und Gäste. Solche, die glauben, hier eine privat-persönliche Partymeile installieren zu können, muss man in die Schranken weisen. Das will die Stadt mit zusätzlichen Kräften im Stadtordnungsdienst im nächsten Jahr umsetzen. Damit handeln sie im Interesse der Kneiper und deren Gäste.


Jessica Bierotte „Coco Bar“

Für mich ist es unverständlich, dass wir als Gastronomen unsere Gäste ab 1 Uhr reinholen müssen, während draußen am Hassel Leute rumhängen, die laute Musik hören und ihren Müll hinterlassen. Die Stadt verdient mit uns Geld, aber uns wird das Leben schwer gemacht. Es ist nicht leicht, eine gute Lösung zu finden, aber so geht der Hassel kaputt.

Marcel Koke „Kartell“

Die 1-Uhr-Sperre schadet den Gastronomen am Hassel. Sie ist jedoch nicht das einzige Problem. Es fehlen hier Events mit Magnetwirkung, beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen und Aktivitäten mit Kiezcharakter – ob Weihnachtsmarkt oder kleine Konzerte. Wir sollten alle unser Ego beiseite schieben und miteinander planen und arbeiten.

Matthias Junge „Escape“

Am Hassel herrschen derzeit traurige Zustände. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Beispielsweise müssen Gastronomen ab 1 Uhr ihre Terrassen schließen, aber vor den Spätshops stehen manche bis 5 Uhr vor der Tür und trinken Alkohol. Vielleicht sollte man über ein Alkoholverbot rund um den Hassel nachdenken, um die Situation zu entspannen.

Uli Bittner „Liebig-Lounge“

Die Situation am Hassel wird hochstilisiert – auch von den Medien. Dennoch gibt es einige Probleme. Wenn das Liebig um 1 Uhr schließt, kommen andere Besucher auf die Terrasse, die dort ihren mitgebrachten Alkohol trinken, in jede freie Ecke urinieren und ihren Müll hinterlassen. Allerdings hat der Hassel noch Potenzial und das sollten wir nutzen.

Olaf Bernhardt, „Curry54“

Wir Gastronomen sind nicht die Schuldigen für Krawall am Hassel. Wenn hier nach 1 Uhr Ruhe und Ordnung gewährleistet werden soll, muss einfach mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt her. Gegen Lärm helfen jedenfalls keine Bußgeldbescheide gegen Lokalbetreiber. Damit löst man hier kein Problem.

Alexander Neumann „Kucaf“

Es macht sich bemerkbar, dass abends weniger Gäste kommen. Magdeburg ist zwar eine Großstadt, aber klein genug, sodass sich gewisse Probleme schnell herumsprechen. Lösungen für die Probleme zu finden, schaffen wir nur, wenn wir zusammenhalten. Und das ist dringend notwendig, denn Magdeburg braucht die Kneipen und das Nachtleben.

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