Von Fall zu Fall: Die Weihnachtsfeier mit Heini
So wie in jedem Jahr im Dezember feiert die Brigade Schmeichel – ein altgedientes Arbeits- und Trinkkollektiv, entstanden im damaligen VEB-Kombinat „Schweiß und Guss Rot-Grün“ und nachwendezeitlich zunächst in ein „Eine-Mark-Unternehmen“ des griechischen Investors Nutasias überführt – hernach meistbietend an die Firma „VAM“ Vorderanlagenbau Machdeborch veräußert – wieder ihre kollektive Brigadeweihnachtsfeier.
Und Jahr für Jahr wird dazu eine Tafel beim „Griechen um die Ecke“ eigens dafür bestellt. Voller Vorfreude war das 20-köpfige Team – allerdings nur bis zu dem Tage, als sich mit schriftlicher Post der Werks-Chef, Herr von Hein, quasi selbst zugeladen hatte, um der direkt am Stahl arbeitenden Bevölkerung den Dank der Geschäftsführung zu überbringen und ebenjener auch ein wenig näher zu rücken. So weit, so gut. Da platzte es sofort aus dem kollegialen Mitglied Harras Stänker, ein seit 23 Jahren als Schweißer im Werke tätiger, heraus: „Das is doch der doofe Dämlack, der uns im Sommer bei 40 Jroahd Hitze noch Sonderschichten uffjebrummt hat, weil de Chinähsen anjeblich nich liefern konnten. Und ich konnte desterwejen da nich mit de Schantall uff de Datsche und innen Pool…“ Und so verkündete er schon vorab lauthals im Brigadeteam: „Na warte mal ab, dem Heini zeig’ ich’s – das jibt Kriech!“ Da machte sich der eine und andere Kollege schon so seine Gedanken – denn Harras hielt immer, was er versprach. Und in der Tat steht Harras Stänker – nach der 3. Fleischplatte vom 18. Bier und 24. Ouzo etwas gezeichnet, wütend und frustig, mit puterrotem Kopf am Tischende auf und brüllt zum Herrn von Hein, der am anderen Ende sitzt und gerade Brigadier Schmeichel mit einer hellenischen Brause zuprosten will, herüber (Achtung! O-Ton, es wurden nicht jugendfreie Passagen entschärft): „Ähiii – Du Heini! Du bist ‘n Wi..ser, ‘n A….loch, ‘ne arme Sau. Du kannst ja nichmal richtich f…n und saufen“. Diese vom Gesamtpublikum der Taverne aufgenommene Kundgabe Stänkers personell absolut zuordnungsfähiger Meinung unterstrich er dabei noch gestenreich mit beiden ausgestreckten Mittelfingern seiner stahlharten Fäuste. Brigadier Ulf Schmeichel und Gießer Hartmut Hartmann entfernten zwar hurtigst den dabei weiter fluchenden Harras vom Tisch und aus der Taverne, verfrachteten diesen in ein Taxi und schufen hierdurch etwas beruhigende Tatsachen – dennoch – wegen dieser Auf- und Vorführung kündigte der Chef schon am nächsten Tage außerordentlich fristlos – aus besonders wichtigem Grund.
Stänker reichte Klage am Arbeitsgericht ein und meinte dazu, er hätte ja nur mal eben einen „blackout“ gehabt und wisse gar nicht mehr so richtig, was er dem Herrn so „…alles an den Kopp jeknallt…“ haben soll – also hätte er ja auch für „Nix ‘ne Schuld“. Außerdem sei doch das alles „Jarnich so schlümm, der Heini soll sich mal nich so blöde haben…“. Und? kam der Stänker damit durch? Hier die Auflösung: Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Beleidigung von Vorgesetzten auf einer Weihnachtsfeier zur Kündigung führen kann. (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 30.06.2004/Az: 18 Sa 836/04): Ein Arbeitnehmer, der mit dem Ziel „jetzt werde es Krieg geben“ auf eine Betriebsfeier geht und dort in angeheitertem Zustand seinen Vorgesetzten u.a. als „Wi..ser“ und „A….loch“ bezeichnet, ihn damit beleidigt, er „könne nicht f…n und nicht saufen“ sowie ihm den ausgestreckten Mittelfinger zeigt, kann von diesem außerordentlich gekündigt werden. Die außerordentliche Kündigung war aus wichtigem Grund zulässig. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber grob beleidigt. Es handelte sich um erhebliche Ehrverletzungen, die auch nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien, denn Beleidigungen und Schmähungen würden nicht durch dieses Grundrecht geschützt. Der Arbeitnehmer hat auch nicht schuldlos gehandelt. Einen von ihm vorgetragenen „blackout“ hat keiner der Kollegen bezeugen können. Er hatte auch nicht volltrunken gewirkt, gelallt oder andere Ausfallerscheinungen gezeigt. Nun kann Harras woanders stänkern – in Schmeichels Brigade nicht mehr.
Und die Moral von der Geschichte?
Der Mensch ist doch ein tolles Ding,
er braucht nicht stänkern oder schrei’n.
Er hat ein Hirn und sollt’ es nutzen, ich rat dem Stänker: „Setz es ein!“.
Ruhige und besinnliche Weihnachtsfeiern und Feiertage wünscht Ihnen Ihr Magdeburger Rechtsanwalt Andreas Dahm