Von einem, der in den Westen auszog …

Jens Zabel ist gelernter Handwerker und leitet heute ein großes inhabergeführtes Unternehmen.

Jens Zabel, am 21. Dezember 1963 geboren, wollte eigentlich mal Zehnkampf-Weltmeister werden, aber nach der Diagnose für eine dreifache Krümmung der Wirbelsäule ist für den Magdeburger Schluss mit der Leichtathletik. Schließlich absolviert er bei der PGH Maler Nord eine Handwerkerausbildung zum Maler. Auch diesen Beruf kann er wegen der schweren Farbkübel und der angeschlagenen Wirbelsäule nicht lange ausüben. Als er eine Show des holländischen Moderators Rudi Carrell sieht, hat er die Idee, berühmte Sänger zu imitieren. Ein Stimmimitator von Roger Whittaker, der im richtigen Leben Glas- und Gebäudereiniger war, regte ihn zu der Idee an. Bei der Kreisverwaltung Wolmirstedt stellt er 1987 einen Antrag ein Gewerbe als Glas- und Gebäudereiniger. Als er das Dokument überreicht bekommt, sagt der Beamte: „Sie sind der Erste, der die Gewerbegenehmigung bekommt – und der Erste, der sie wieder abgeben wird.“ So ernst waren die Privatierungsförderung in der DDR also nicht.

Als die Mauer fällt und die DDR im geeinten Deutschland untergeht, wird der Osten von mancher unternehmerischen Kompetenz aus dem Westen regelrecht überrollt. Doch ein Kämpfer, der Jens Zabel als Sportler war, ist er auch im Leben. Er beginnt eine Ausbildung als Gebäudereiniger, macht in dem Handwerk seinen Meister und studiert nebenher noch Betriebswirtschaft an der Magdeburger Universität. Währenddessen hat er längst ein Service-Unternehmen für Gebäudereinigungen gegründet. Dem Unternehmen ging es unter der stark wachsenden Konkurrenz aus dem Westen nicht gut. Von der Dresdner Bank erhält er 300.000 D-Mark Kapital. Ab da geht es aufwärts. Nach nur 14 Tagen beschäftigt er 24 Leute in Vollzeit und bekommt bald den Reinigungsauftrag des Karstadt-Warenhauses. Der Karstadtkonzern schreibt später weitere Aufträge für andere Häuser aus. Der Ossi Zabel wird in Hannover von der Konkurrenz im Maßanzug belächelt. Wegen der guten Referenzen aus der Ottostadt erhält er weitere Aufträge in Hannover, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Das Unternehmen wächst in kurzer Zeit rasant und verfügt bald über 500 Mitarbeiter.

Das Unternehmen wächst rasant

Die Firmenzentrale baut Jens Zabel in Essen auf. Um eine andere Firma zu übernehmen, braucht er Geld. Bei der Investitionsbank in Neuss beantragt er 1 Million D-Mark. 27 Hefter legt er mit Konzepten und Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor. Nach zwei Wochen bekommt er das Kapital. Nach einem Jahr zahlt Zabel die Summe zurück. Die Mitarbeiteranzahl der Zabel Group wächst weiter, auf über 1.000 und bald auf 4.000 Mitarbeiter. Unter dem unternehmerischen Dampf leidet die Ehe. Jens Zabel lässt sich von seiner Frau Barbara scheiden und zahlt ihr den 50-prozentigen Geschäftsanteil aus. Diese Phase ist keine leichte Zeit. Jens Zabel meistert die Situation, vor allem weil er gute Mitarbeiter hat. Ohne die Menschen, die täglich ihren Job tun, ginge das alles nicht. Darin steckt der eigentliche Erfolg. Es ist nicht seiner, sondern der aller, beteuert der Unternehmer. Mittlerweile gehören namhafte Möbelhäuser und viele andere große Firmen zu den Kunden des Dienstleistungsunternehmens. Eine besondere Herausforderung erlebt Jens Zabel als eines Tages Zoll- und Finanzbeamte in seine Betriebe einrücken und massenhaft Unterlagen beschlagnahmen. Die folgenden rechtlichen Auseinandersetzungen bei dem ihm Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung unterstellt werden, dauern fast fünf Jahre. Am Ende sind jedoch alle Vorwürfe vom Tisch. Es können keine Verstöße der Zabel Group festgestellt werden. Der Unternehmer vermutet, dass die Aktion von der Konkurrenz ausgelöst wurde ein Ossi im Westen mit viel mehr Misstrauen beäugt wurde. Privalt kann er in Nordrhein-Westfalen keine Wurzeln schlagen. Also verlegt Jens Zabel seinen persönlichen Wirkungskreis 2017 nach München. Die bayerische Hauptstadt und deren Menschen sind irgendwie offener. Von München aus lenkt Jens Zabel heute Unternehmungen in Magdeburg, Essen, Bremen und Berlin. In fast jeder deutschen Großstadt sind seine Mitarbeiter im sogenannten Facility Management tätig. Sieben Hörstürze hat Jens Zabel inzwischen hinter sich. Und man müsste annehmen, dass man als Mensch dann kürzer tritt. Aber der 55-jährige Magdeburger will von Ruhe nichts wissen. Längst hat er eine neue Idee auf den Weg gebracht und will sie über das ganze Land ausrollen.

Eine neue Idee über ganz Deutschland ausrollen

Crafty GmbH heißt die Firma, die heute im Großraum München Handwerkerdienstleistungen anbietet. Die studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaftlerin Christiane Wolff holt sich Jens Zabel an die Seite. Sie war zuletzt in der weltweit tätigen Agentur „Serviceplan“, einer der größten inhabergeführten Agenturen mit über 4.500 Mitarbeitern, beschäftigt. Kommunikation beherrscht Christiane Wolff, und diese braucht die Firma, um die Idee, alle Handwer-kerleistungen aus einer Hand anzubieten, schnell zu verbreiten. Und Jens Zabel meint wirklich alle Arten handwerklicher Arbeiten. Gute Fachleute sind rar, aber in der Personalrekrutierung kennt sich Zabel nach über 30 Jahren gut aus. Die guten Preise, die er im Großeinkauf erzielt, gibt er an Kunden weiter und zahlt mehr als 10 Prozent übertariflichen Lohn. Auf diese Weise lassen sich Handwerker gewinnen. Die Auftragslage sei bereits gut und die Crafty GmbH arbeitet zu 80 Prozent mit eigenem Personal. Das Erfolgsrezept „innovatives Handwerk in Verbindung mit Kommunikation“ zu verbinden, soll bald in anderen deutschen Städten greifen.

Als Unternehmer vielseitig wie ein Zehnkämpfer

Rund 8.000 Mitarbeiter gehören heute zur Zabel Group. Damit zählt die Firma des Magdeburger Gründers zu den mittelgroßen inhalbergeführten Unternehmen Deutschlands. Eigentlich könnte sich Jens Zabel längst aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Böse Zungen meinen, wer trotz dieser Größe noch weiter arbeite, der hätte es wohl nötig. Doch Jens Zabel versichert, er brennt jeden Morgen aufs Neue für seine Arbeit und sein Unternehmen. Sein Vater arbeitete als Fliesenleger, Maurer und Dachde-cker, seine Mutter war in der Landwirtschaft tätig. Diese Wurzeln lassen ihn bis heute bodenständig bleiben. 80 Prozent seiner Lebenszeit gehört dem Unternehmen und auf Urlaub verzichtete er viele Jahre. Es gibt in Magdeburg einige erfolgreiche Gründer, die mit der deutschen Einigung einen erfolgreichen Weg absolviert haben. Aber einen Magdeburger, der von hier aus in den Westen auszog und eine Unternehmensgröße wie Jens Zabel aufgebaut hat, gibt es derzeit wohl nicht noch einmal. Man muss in seiner Persönlichkeit sicher viele Eigenschaften vereinen, um so einen Weg meistern zu können. Selbstbewusstsein, Kreativität, Durchhaltevermögen, Vielseitigkeit, Fleiß und frei zu sein von Ängsten gehören sicher dazu. Vielleicht haben die Anforderungen an einen Zehnkämpfer einst bei Jens Zabel solche charakterlichen Aspekte gefordert und gefördert. Die Weltmeisterehren blieben ihm gesundheitlich versagt, aber den Erfolg als Unternehmer, den hat er sich über eine lange Lebensstrecke erlaufen. Thomas Wischnewsk

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