Vom Gehen, Sehen und Zurückkehren
Wie ich die Frühlingssonne doch ersehnt hatte. Und verbunden mit ihr die Unternehmungen im Draußen. Das Verweilen an kalten Tagen im Drinnen hat das erste Aprilwochenende endgültig ins Gestern katapultiert. Natürlich gab es in den Wintermonaten Möglichkeiten für Unternehmungen, für Ausflüge und Entdeckungsreisen. Doch im Aufschwung der Natur sprießt gleichsam der eigene Wunsch, sich aufzuschwingen, den Aktionsradius zu erweitern und allein oder gemeinsam Entdeckungen vor der Haustür zu machen.
Übrigens unternehmen nach einer Untersuchung des Bundeswirtschaftsministeriums rund 84 Prozent der Deutschen eine Tagesreise und ausgeflogen wird pro Kopf rund 33 Mal pro Jahr. Im Bundesvergleich stellt sich heraus, dass die Sachsen-Anhalter leider kleine Ausflugsmuffel sind. Mit 87,1 Prozent bringen es die Nordlichter aus Schleswig-Holstein auf den höchsten statistischen Ausschwärmwert. Hierzulande seien es nur 79,5 Prozent der Einwohner. Sachsen-Anhalt bringt es in der Erhebung auf den traurigen vorletzten Platz, ausflugsfauler sind nur noch die Thüringer. Bei Letzteren könnte man schlussfolgern, dass sie die schöne Landschaft ohnehin vor der Tür haben und eine Entdeckungsreise in noch schönere Gefilde nicht lohnte. Aber trifft ein solcher Schluss auch auf Sachsen-Anhalt zu?
Vielleicht sind wir manches Mal ein wenig zu „betriebsblind“, um die Schönheiten vor der Haustür wahrnehmen zu können. Ewig dasselbe zu sehen, ist eben nicht so spannend wie immer Mal etwas anderes. So treibt uns die Natur der Neugierde weg vom Bekannten ins Unbekannte. Ist das wirklich so? Was wäre, wenn es beim Aufenthalt in der Fremde keine Wegweiser gäbe, keine Naviationsgeräte oder andere Orientierungshilfen? Man also aus der Natur nicht mehr herausfände, zurück in die schützende Zivilisation? Der schöne Ausflug wandelte sich zum Schreckenserlebnis.
Ein solches Szenario ist in unseren dichtbesiedelten Landstrichen kaum vorstellbar. Hin- und Rückwege sind erschlossen, verzeichnet und auffindbar. Wir haben das als Selbstverständlichkeit angenommen. Deshalb richtet sich der Blick beim Ausflug viel seltener darauf, wie ein Ausflugspfad entstanden ist. Wir nehmen das Ziel mit all seinen schönen Verheißungen für Zerstreuung, Entspannung und Erlebnis ins Visier und achten deshalb vielleicht weniger auf den Weg irgendwohin. Machen wir uns noch eine Vorstellung davon, wie unsere Vorfahren gereist sind und darüber, ob sie das überhaupt konnten? Händler, manch fahrendes Volk, Fürsten und Verwalter, Soldaten und Herumtreiber waren wohl solche, die die Wege von Ort zu Ort austraten. Der gemeine Untertan hatte kaum Chancen, aus seinem unmittelbaren Lebensmittelpunkt herauszukommen.
Im Übrigen sind es heute vielfach Familien mit Kindern unter 14 Jahren, die einen großen Anteil an Tagesausflüglern ausmachen (90,7 Prozent). Aus der Statistik lässt sich außerdem herauslesen, dass die Tagesentdeckungen mit zunehmendem Alter abnehmen. Fast 95 Prozent der 19-Jährigen machen sich mindestens einmal im Jahr zu einem Ausflug auf. Ab dem 40. Lebensjahr sinkt die Unternehmungsfreude offenbar kontinuierlich (40 bis 49 Jahre 88,6 Prozent). Bei den 70- bis 79-Jährigen sind es dann noch 68,5 Prozent. Selbstverständlich sind fast 70 Prozent immer noch viel und spricht für eine aktive Seniorengeneration.
Schaut man auf Berufsgruppen und Einkommen bei Tagesausflügen trifft man Freiberufler, Beamte und Richter häufiger unter Tagesreisenden als sons-tige Angestellte oder Arbeiter. Ebenso sind höhere Bildungsabschlüsse häufiger ein positiver Indikator für Kurzreisen in die Umgebung. Unter Menschen mit Abitur und Fachhochschulreife reisen angeblich 94,2 Prozent, bei der Mittleren Reife sind es 87,3 Prozent und bei Menschen ohne Schulabschluss nur noch jeder Zweite.
Selbstständige sind offenbar wegen ihrer engen Bindungen an Arbeit und eigene Firma seltener unterwegs als Verwaltungsangestellte oder Beamte. Egal, ein jeder fliegt so oft aus, wie er will. Den Motor für Sehnsucht und Neugierde oder gemeinsame Erlebnisse muss jeder selbst spüren. Am Ende ist aber stets das komplette Programm vom Gehen, Sehen und Zurückkehren, mit dem ein Ausflug vollständig wird. Wegsein allein reicht nicht, man muss schon zurückkehren, um das Erlebte in das alltäglich Vertraute zu tragen und damit ein Ausflug nicht zum Fortflug in die Ewigkeit wird. Reiche Entdeckungsangebote bietet die nahe und fernere Region auf jeden Fall. (tw)