Visionen für Magdeburg
Die Wobau entwickelt Ideen für die bauliche Gestaltung Magdeburgs und setzt sie bereits an vielen Stellen um. Aber die Möglichkeiten des städtischen Unternehmens sind noch nicht ausgereizt.
Die jüngste Errungenschaft der Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg mbH (Wobau) ist das seit Jahren leer stehende Gebäude am Breiten Weg 108 zwischen zwei Wohnblöcken. Zu DDR-Zeiten gab es hier das Restaurant „Pliska“. Lange hatte ein Hamburger Eigentümer seine Hände auf dem Haus. Entwickeln wollte er das Gebäude nicht. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es dort für einige Zeit ein griechisches Restaurant. Die Wobau möchte den Quader sanieren und einer neuen Bestimmung zuführen.
Im vergangenen Jahr erwarb die Wobau das ehemalige Haus der Freimaurerloge „Ferdinand zur Glückseligkeit“ in der Wilhelm-Weitling-Straße. Das Gebäude wurde nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten als Stadtbibliothek genutzt und war über 15 Jahre dem Verfall ausgesetzt. Jetzt ist die Bausubstanz gesichert. Peter Lackner, Geschäftsführer der Wobau, möchte den Bau gern als Ideenprojekt in die Kulturhauptstadtbewerbung einbringen. Sollte Magdeburgs Bewerbung im nächsten Jahr erfolgreich in die nächste Runde gehen, würden die Planungen forciert.
Eine architektonische Vision als Konzerthaus existiert bereits (s. große Abbildung). Immerhin dirigierte hier einst zu mehreren Konzerten der berühmte deutsche Komponist Richard Wagner.
Das erste die Stadtsilhouette prägende Projekt der Wobau war der quasi Neubau des Katharinenturms. Das einstige „Haus der Lehrer“ an der Stelle der früheren Katharinenkirche wurde zuletzt noch als Sitz des Kulturministeriums genutzt. Das zog jedoch Anfang des neuen Jahrtausends in Räume an der Turmschanzenstraße. Danach wollte das Haus niemand erwerben und es war lange dem Verfall preisgegeben. Schließlich entwickelte die Wobau ein Konzept für eine komplette Neuausrichtung des Turmes. Seit seiner Einweihung 2014 ist die Fassade mit seinen Lichteffekten ein prägender „Leuchtturm“ inmitten der Stadt.
Obwohl das städtische Wohnungsunternehmen wie am Domviertel Impulse für die Stadtentwicklung gibt, sind die Verpflichtungen für den Bestand nicht vergessen. In der denkmalgeschützten Beimssiedlung ist die Wobau seit einigen Jahren aktiv und modernisiert die Wohnungen in der von Bruno Taut konzipierten Siedlung. Dafür erhielt das Magdeburger Wohnungsunternehmen Anfang des Jahres sogar den „Deutschen Bauherrenpreis“. Das ehemalige „Bauarbeiterhotel“ und heutige Wohnhaus an der Regierungsstraße erhielt eine wellenförmige Fassade. Auch dafür strich das Magdeburger Unternehmen einen Designpreis ein.
Nach dem Rückbau vieler Wohnungen in den Plattenbausiedlungen der Stadt und der Modernisierung des Altbestandes muss die Wobau mit der Entwicklung der Stadt Schritt halten. Die Einwohnerzahl steigt und mit ihr die Nachfrage für attraktive Wohnungen in Innenstadtlage. Der DDR-Schriftsteller Volker Braun bezeichnete Magdeburg in seinem 1985 erschienenen „Hinze-Kunze-Roman“ mal als eine „weggebaute Stadt“. Jetzt schließen sich nach und nach die Wunden, die einst der Krieg hinterlassen hatte und die in DDR-Zeiten nicht geheilt werden sollten. Dass diese Entwicklung erst nach 25 Jahren Deutscher Einheit richtig Fahrt aufnimmt, hatte viele Gründe. Da waren Alteigentumsansprüche zu klären, Altschulden zu meistern und ein unvorstellbarer Sanierungsstau im Bestand zu bewältigen. Diese Phase liegt hinter dem städtischen Unternehmen. Für Peter Lackner gilt es jetzt, nach vorn zu blicken. Ein Unternehmen, zu dem rund 20.000 Wohnungen mit 40.000 privaten Mietern gehören und das weit über 460 gewerblichen Mietern Raum für ihre Arbeit bereitstellt, sollte ein wichtiger Motor bei der Stadtentwicklung sein. Die aktuellen Ideen sind schließlich „Kinder“ der Stadt und keine fremdgesteuerten Projekte großer Immobilienakteure. Dass Magdeburg seine Geschicke an vielen Stellen selbst in der Hand hält, mag einerseits eine Besonderheit sein, aber dies ist ebenso eine Chance für außergewöhnliche Möglichkeiten aus den Triebkräften Magdeburgs heraus. (tw)
Den Aufstieg der Stadt gemeinsam auf die Fahne schreiben
Herr Lackner, die städtische Wohnungsbaugesellschaft wird mehr und mehr als ein Impulsgeber für bedeutende Bauprojekte in der Landeshauptstadt sichtbar. Rückbau und Sanierungen gehören endgültig der Vergangenheit an?
Peter Lackner: Es gibt noch viel zu tun. Wir sind mit der Neustrukturierung in Olvenstedt noch nicht fertig. Aber die Dimension der Aufgabe hat sich verlagert. Magdeburg macht insgesamt riesige Schritte nach vorn. Warum sollten wir die Gestaltung der Stadt ausschließlich anderen überlassen? Ich halte es für wichtig, dass das städtische und größte Wohnungsunternehmen nicht nur Bestandsverwaltung macht, sondern selbst Impulse gibt.
Wollten große Immobiliengesellschaften in Magdeburg nicht investieren?
Ganz im Gegenteil, als wir mit den Genossenschaftspartnern das Domviertel geplant haben, wollte man uns das gesamte Areal gern abkaufen. Wir dürfen doch so ein Filetstück nicht aus den Händen geben. Das ist Eigentum der Stadt und der Bürgerschaft, auch bei den Genossenschaften bleibt das Eigentum in den Händen der Mitglieder, also der Wohnungsnutzer. Die Früchte, die hier wachsen, verbleiben in der Stadt und können für ihre Entwicklung eingesetzt werden. Einen privaten Investor würden doch nie die Belange der gesamten Stadt interessieren. Somit ist die Stadt selbst maßgeblicher Akteur und bei einem lohnenden Investment kommen Gewinne der Stadtkasse, sozialen, kulturellen und sportlichen Projekten zugute. Besser kann sich Magdeburg für die Zukunft gar nicht aufstellen.
Kann man das auch als ein neues Selbstbewusstsein für Magdeburg begreifen?
Unbedingt. Das gebürt uns. Jeder Besucher, den ich bisher getroffen habe, ist von der Stadt beeindruckt. Nur kommt noch etwas dazu. Wir haben noch echtes Entwicklungspotenzial. In der Innenstadt kann man gerade sehen, wie das gehoben wird. An anderen Stellen wird es weitergehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Magdeburg in zehn Jahren im nationalen Konzert einen sehr klangvollen Namen besitzt, dass die Stadt viel mehr Touristen empfängt als heute und dass Lebensqualität und Lebensbedingungen noch einmal einen Sprung nach vorn gemacht haben werden. Und noch eines möchte ich hinzufügen: Dass hier aus eigenen Ressourcen und mit eigenen Ideen gehandelt wird, passt wunderbar zur einzigartigen Magdeburger Geschichte. Aus zwei kompletten Zerstörungen hat sich die Stadt einst selbst berappelt und der jetzige Aufstieg ist wieder einer, den wir uns als Magdeburger gemeinsam auf die Fahne schreiben dürfen.