Visionär: Eine grüne Stadt für alle Bürger
Die Anlagen in den öffentlichen Gärten zu Buckau, vor dem Ulrichstor, in der Neustadt, in der Sudenburg sind zerstört. Der Rothenseer Busch, diese letzte Zuflucht der Magdeburger, diese einzige Sommerpartie, ist gleichfalls unbarmherzigerweise abgehauen worden. So ist jetzt die Gegend um Magdeburg öde und fast nirgends ein Baum zu sehen oder zu finden! So beklagte Stadtbaumeister Harte nach den Kriegsjahren 1815 den Zustand des fehlenden Grüns in und um die Elbestadt. Bei August Wilhelm Francke trafen seine Worte offene Ohren: Der spätere Bürgermeister machte sich die Anlage von öffentlichen Gärten zur ureigensten Aufgabe, da er ihren sozialen Wert erkannt hatte. Mit mehr als Tausend Hektar neu zu errichtenden Parkanlagen sollte Magdeburg zu einer grünen Stadt werden. Doch eine grüne Stadt für alle? Weit gefehlt! Denn zur damaligen Zeit waren die flanierenden Besucher strikt nach sozialer Herkunft getrennt: In einigen Gärten lustwandelte die High Society, in anderen Grünanlagen tummelten sich die mittleren Stände. Ein Volksgarten für alle Magdeburger? Eine ferne Zukunftsmusik.
Auf der Anhöhe des ehemaligen Klosters Berge, mit herrlicher Aussicht auf Stadt und Fluss, entstand der Friedrich-Wilhelm-Garten, späterer Klosterberge- garten. 1824 erging der Auftrag an den Potsdamer Gartenbauarchitekten Peter Joseph Lenné. Francke äußerte sich begeistert über dessen Vorschläge: „Ganz Magdeburg wird sich zum tiefsten Danke gegen Sie verpflichtet fühlen, wenn der herrliche Plan erst ausgeführt ist.” Der von seinen Plänen selber begeisterte Lenné begann 1825 mit der Gestaltung. Bereits zehn Jahre später war der Park endgültig fertiggestellt.
Im Herrenkrug, einem ehemaligen Vorwerk nordöstlich der Stadt am rechten Elbufer, hatte sich schon 1676 ein Gasthof etabliert. Francke schwebte ein Gesellschaftsgarten größeren Stils vor. Bereits zwischen 1818 und 1824 entstand eine landwirtschaftlich-gärtnerische Anlage, und ab 1829 gestaltete Lenné den Herrenkrug nach seinen Plänen komplett neu. Eine besondere Attraktion für die Magdeburger und Besucher war die entstandene Galopprennbahn. Seit 1838 wurden die großen Grünflächen in der Nähe der Elbe für Pferderennen genutzt. Mit einer Finanzspritze der Stadt Magdeburg errichtete man 1879 eine Tribüne, die jedoch 1900 ein Brand zerstörte. Ein 1906 von 250 Magdeburger Bürgern gegründeter Rennverein ließ dann die Rennbahn errichten, die 1907 eingeweiht wurde und in wesentlichen Teilen noch heute besteht.
Auch der Nordpark trägt indirekt den Stempel des Gartenbaudirektors Lenné: Es war der umgestaltete Nordfriedhof, er war der erste Begräbnisplatz außerhalb der Festungsanlagen. Die Initiative hierzu ging von Bürgermeister Francke aus, der wiederum Lenné mit der Planung beauftragte. Der „Vogelgesang” zwischen Neustadt und Rothensee war bereits seit 1722 beliebtes Ausflugsziel mit eigener Restauration und einer städtischen Gärtnerei. Ein neues Gesellschaftshaus entstand 1821. In den Jahren 1841/42 erwarb der Magistrat das Gelände und ließ den Park umgestalten.
Auf der vor den Toren Magdeburgs gelegenen Elbinsel, die durch zwei Flussarme entstand, legte Gartenbaudirektor Paul Niemeyer ab 1871 den Stadtpark Rotehorn an. Die „Taube Elbe”, einen toten Flussarm, verwandelte der Landschaftsgestalter in den „Adolf-Mittag-See” und einen Teil der Festungsanlage in ein Naturtheater.
Teile der Festungsanlagen wie das lang gestreckte Glacis um die Altstadt begrünte man ab 1830 und führte den einstigen Verteidigungsring mit seinen Bollwerken einer friedlich-erholsamen Bestimmung zu. Die Promenade am Fürstenwall bestand bereits seit 1725 und war damit eine der ersten Bürgerpromenaden überhaupt. Durch die große Gartenausstellung von 1886 kam die Stadt zu einem weiteren Park: Die Ausstellungsanlagen blieben Magdeburg als Luisengarten erhalten. Ronald Floum