Vergessenes wieder in Erinnerung rufen

Eigentlich war es nur ein Hobby-Projekt. Ein paar Fotografie-Begeisterte, die sich für vergessene Orte in und um Magdeburg interessieren. Alte Villen und Häuser, ungenutzte Wohnungen und Industrieruinen nimmt das Team „Vergessenes Magdeburg“ in den Fokus, verrät jedoch in den wenigsten Fällen, wo die Aufnahmen entstanden sind, um die jeweiligen Objekte vor Vandalismus zu schützen. „Auf eine gewisse Art und Weise ist es faszinierend, die Schönheit des Verfalls zu entdecken“, erklärt Uwe, der einer der Initiatoren des Projektes ist. „Was mich dabei vor allem beeindruckt, ist, wie schnell sich die Natur den Raum zurückerobert, der ihr genommen wurde, sobald die Menschen ihn nicht mehr nutzen. Andererseits ist es erschreckend zu sehen, wie wenig für den Erhalt historischer Bauwerke getan wird. Ich bin mir sicher, dass es sich in vielen Fällen lohnen würde, dem Verfall Einhalt zu gebieten.“

Aus dem Hobby-Projekt ist inzwischen mehr geworden. „Wir sind derzeit zu fünft“, erzählt Christian, der ebenfalls zum Team gehört. „Und jeder bringt seine Zeit ein, so wie es passt … ganz ungezwungen.“ Manchmal begibt sich jeder allein auf Motivsuche, manchmal ziehen zwei, drei Personen zusammen los. Dass sich das Projekt entwickelt habe, liege vor allem am Internet. „Wir fotografieren schon ziemlich lang, dachten dann aber irgendwann, dass es doch schade ist, wenn die Fotos nur auf der Festplatte archiviert werden“, schildert Uwe. „Also haben wir eine Facebook-Seite erstellt, die vielen Bilder strukturiert und plötzlich ging das ab wie eine Rakete.“ Seitdem wurden bereits mehrere Ausstellungen organisiert und jedes Jahr produziert die Gruppe einen Kalender mit den besten Aufnahmen des Jahres. Die Überschüsse aus dem Verkauf von Kalender und Bildern spendet „Vergessenes Magdeburg“ stets an gemeinnützige Organisationen.

Eine Auswahl an Bildern ist auf der nachfolgenden Doppelseite sowie an der Bauzaungalerie der Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke im Breiten Weg, Ecke Danzstraße zu sehen. Bis zum 9. September sind die 13 Motive dort noch ausgestellt, die über die Internetseite www.bauzaungalerie.de als Alu-Dibond-Platte ersteigert werden können. Auktionsende ist ebenfalls der 9. September, 20 Uhr. Die Einnahmen aus der Versteigerung kommen zwei Vereinen zugute. Ein Teil geht an den Autismus Magdeburg e.V., dessen Ziel es ist, Gedanken und Ideen zum Thema Autismus auszutauschen und betroffenen Menschen sowie deren Angehörigen Hilfe zu bieten. Der andere Teil wird an die Beratungsstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, den Wildwasser Magdeburg e.V., gespendet.

„Eine Auswahl zu treffen, ist oft gar nicht so leicht, da es so viele großartige Motive gibt. Für die Bauzaungalerie haben wir 60 ausgesucht und die Verantwortlichen bei der Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke hatten dann die schwere Aufgabe, diese auf 13 zu reduzieren“, schildert Uwe. Zu sehen sind bekannte Motive, wie die Hyparschale, die Hubbrücke oder die ehemalige Brauerei in der Neuen Neustadt, die zum Großteil 2006 abgerissen wurde und von der heute lediglich der Südturm existiert. „Da muss man auch nicht verschweigen, wo das Foto entstanden ist, weil man das auf dem Bild erkennt“, führt Christian an. „Andere Orte sollen aber unbekannt bleiben, um sie – wie bereits erwähnt – zu schützen.“

So beispielsweise ein Rittergut, das vor der Wende als Heim für Mädchen genutzt wurde, oder eine alte Fabrikantenvilla, die nach Meinung der Fotografen auf den ersten Blick recht unspektakulär wirkte. „Vor Ort haben wir einige Details gar nicht wahrgenommen. Erst beim späteren Anschauen der Bilder haben wir festgestellt, dass es hier und dort Interessantes zu entdecken gibt – wie etwa das Bild der alten Frau, das über dem Sessel an die Wand gemalt wurde“, erzählt Uwe. Sessel und Stühle seien häufig ein beliebtes Motiv. „Oder auch ein Klavier. Denn meist sind es nur die schweren Möbelstücke, die zurückbleiben.“ So auch auf dem Bild, das die Titelseite dieser Ausgabe ziert. „Da kommt man schon ins Grübeln und fragt sich, wer dort gelebt hat, warum das Haus verlassen und warum bestimmte Gegenstände zurückgelassen wurden. Aber diese Fragen bleiben oft unbeantwortet.“ Tina Heinz

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