Verbreitete Irrtümer zur Ernährung
Man kann immer wieder lesen, dass sich einige Zivilisations-Krankheiten mit Entschlackungs-Kuren vermeiden lassen. Stimmt das?
Dass uns der Stoffwechsel verschlackt ist eine erfundene Behauptung („Fake-News“). Obwohl Schlacken nur in der Metallurgie anfallen, werben Gesundheitsanbieter mit Detox-Kuren (engl. detoxification = Entgiftung) für eine regelmäßige Entschlackung des Körpers. „Entgiftungs-Pflaster“ auf die Haut aufgebracht, färben diese dort schnell braun, was von den Anbietern als erfolgreiche Entgiftung beschrieben wird. Das stimmt aber nicht. Denn es ist der Fußschweiß, der aus dem Pflaster die Farbe herauslöst. Noch ein Beispiel. Bei Fastenkuren werden aus im Fettgewebe gespeicherten Fetten Ketonkörper gebildet, die den Körper mit Säure belasten. Im Gegensatz dazu sind das bei der Fettund Kohlenhydrat-Verbrennung gebildete Kohlendioxid und Wasser harmlose Endprodukte des Energiestoffwechsels, die vollständig ausgeschieden werden.
Kann ein Zuviel an Vitaminen dem Körper schaden?
Die Wortschöpfung „Vitamine“ drückt aus, dass diese für Lebensvorgänge notwendig sind („Vita“ – Leben) und sich chemisch wie stickstoffhaltige organische Basenstoffe („Amine“) verhalten. Wasserlösliche Vitamine (z. B., Thiamin = Vit B1) können mit einer Ausnahme (Vitamin C) auch in großen Mengen bedenkenlos aufgenommen werden, fettlösliche (A, D, E, K) dagegen mit Einschränkung. Polarforscher haben durch den Verzehr der Eisbärenleber oft ihr Leben verloren, da in deren Leber viel Vitamin A gespeichert ist. Bei Säuglingen ist eine Überdosierung von Vitamin A als Marie-Sée-Syndrom („Wasserkopf“) bekannt. Bei chronischen Nierenerkrankungen kann ein regelmäßiges Zuviel an Vitamin C das Nierensteinrisiko erhöhen. Auch bei einer langjährigen Einnahme von Vitamin D-Präparaten kann es zu negativen Wirkungen durch Calcium-Überladung des Körpers kommen (Hyperkalzämie).
Die Steinzeit (Paläolitikum) hat unseren Stoffwechsel nachhaltig geprägt. Sollten wir deshalb nicht zu der Ernährung der „Jäger und Sammler“ zurückfinden?
Das ist keine gute Idee. Wir müssten dann weitestgehend auf Kohlenhydrate und Süßes verzichten. Vitamine, Omega-3-Fettsäuren und Salz werden zu einem Engpass. Auch war der Homo sapiens einem ständigen Wechselbad von Hunger und Fleischüberschuss (nach erfolgreicher Großwild-Jagd) ausgesetzt. Seine kurze Lebenserwartung (rund 35 Jahre) spricht ebenso nicht für seine Ernährung. Außerdem, eine typische Steinzeit-Ernährung gibt es nicht, denn diese war für Küstenbewohner des Mittelmeeres anders als für mittel- und osteuropäische Homo sapiens. Obwohl „Paleo-Restaurants“ en vogue sind, gibt es gute Gründe dafür, den selbsternannten Ernährungs-Gurus nicht auf den Leim zu gehen.
Gibt es tatsächlich gute und schlechte Futterverwerter oder ist dies nur eine Ausrede für den Kontrollmangel bei der Kalorienzufuhr?
Auch die Darmflora kann Schuld an überflüssigen Pfunden haben. Durch Darmbakterien werden ansonsten nichtverdaubare, pflanzliche Nahrungsbestandteile (z. B. Zellulose) mehr oder weniger abgebaut und als kurzkettige Fettsäuren (Energie!) dem Körper zugeführt. Eine 32-jährige Frau hatte wegen Darmbeschwerden eine Stuhltransplantation von ihrer Tochter erhalten. Mit der neuen Darmflora verschwanden die Beschwerden, aber ihr bisher stabiles Gewicht (62 kg) erhöhte sich innerhalb von 16 Monaten um 15 kg. Tierversuche haben zu ähnlichen Resultaten geführt.
Simmt es, dass wir die Ernährung nach der Blutgruppe ausrichten sollen?
Japaner lassen sich bei anstehenden Lebensentscheidungen von ihrer Blutgruppe leiten (Blutorakel). Mitte der Neunziger Jahre erschien ein Bestseller („Eat Right 4 Your Type“) mit der obigen Empfehlung. Danach sollen sich Träger der Gruppe 0 wie „Jäger und Sammler“ (also fleischreich) ernähren, und die mit A wie Vegetarier. Um es kurz zu sagen, die Wissenschaft stützt eine solche Blutgruppen-spezifische Ernährung nicht. Prof. Dr. Schönfeld