Süße Alternativen aus Magdeburg

Wie immer sind es die kleinen Dinge, die Großes bewegen. Auch bei Dr. Constantin Fahlberg, der 1878 mit einem Fingerzeig die Entwicklung der chemischen Industrie in Magdeburg voranbrachte. Während einer Experimentalreihe auf der Suche nach Zuckerersatz berührte er beim Essen mit seinen Fingern die Zungenspitze und verspürte einen intensiven süßen Geschmack. Auslöser dieser Reizflut war o-Benzoesäure-suIfimid, das statt an den Reagenzgläsern durch Zufall an der Haut des Chemikers haften geblieben war. Gemeinsam mit seinem Onkel, dem Techniker Adolph List, trieb Dr. Fahlberg die industrielle Nutzung dieser Entde-ckung weiter voran. 1885 wurde das Patent für den neuen Süßstoff angemeldet, der 500-mal stärker süßt als herkömmlicher Zucker.

Die Vermarktung des neuen Produkts erfolgte unter dem zugkräftigen Namen „Saccharin". Zielstrebig   setzten Fahlberg und List ihre Forschungsarbeiten in einer kleinen Versuchsanlage in New York, dem einstigen Wohnsitz von Dr. Fahlberg, fort und bereiteten die industrielle Massenproduktion vor. Kurz vor der Umsetzung verstarb Adolph List. Für ihn trat sein Sohn, Dr. Adolph List, ein. Fahlberg, der bis 1886 in Amerika lebte, und List, der in Leipzig seine Wurzeln hatte, entschieden sich mit dem Bau ihrer Fabrik für den verkehrsgünstig gelegenen Standort in Magdeburg-Salbke. Hier an der Elbe und der Eisenbahnlinie Magdeburg-Halle entstand 1886 die erste Saccharin-Fabrik der Welt.

Die Süßstoffproduktion begann sofort nach dem Ende der Bauarbeiten wie auf der zeitgenössischen Darstellung unten abgebildet, am 9. März 1887. Saccharin, im Vergleich zu Zucker äußerst preiswert, setzte sich immer mehr als Süßungsmittel durch. Im Interesse der Zuckerhersteller wurde jedoch 1902 ein Süßstoff-Verbot erlassen. Entsprechend der Notwendigkeit, auf neue Produkte auszuweichen, ist 1912 eine Pharmazeutik-Abteilung entstanden. Somit ließ sich das Produktionsspektrum auch auf den medizinischen Bereich ausweiten. In der DDR zählte das Werk zunächst als Fahlberg-List, seit 1979 als Teil des Kombinats Agrochemie Piesteritz zu den Hauptproduzenten von Agrochemikalien, Arzneimitteln und chemischen Erzeugnissen. Im Jahr 1990 durch die Treuhand privatisiert, firmierte das Unternehmen als Chemische und Pharmazeutische Fabriken Fahlberg-List GmbH. (rf)

Zurück