So selbstverständlich wie Strom …

Strom ist so selbstverständlich wie Wasser aus der Leitung oder dass jeden Tag wieder die Sonne scheint. Aber weiß man eigentlich, dass über 1.000 Kilometer Mittelspannungsleitungen und 2.000 Kilometer Niederspannungskabel nötig sind, damit 240.000 Menschen, Industriebetriebe, Handwerk, Dienstleistung, Verwaltung und Handel Strom zapfen können? Die Netze Magdeburg GmbH, ein Tochterunternehmen der Städtischen Werke Magdeburg GmbH & Co. KG, sind für die Bereitstellung der technischen Anlagen von der Hochspannungsleitung bis zum Hausanschluss verantwortlich. Bei der SWM kümmern sich rund 700 Mitarbeiter um Wartung, Ausbau und Verwaltung der Stromanschlüsse.
Der Stromhunger der Magdeburger betrug zum Ende des Jahres 2015 952.354.830 Kilowattstunden. Das waren pro Kopf knapp 4.000 kWh. Übrigens liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland bei ca. 7.000 kWh. Nur zum Vergleich: Die größten Stromverbraucher sind nach wie vor die USA. Dort entfallen pro Jahr über 13.000 kWh Stromleistung auf jeden US-Amerikaner (2011). Ein Blick in die Vergangenheit macht aber deutlich, wie unser Appetit im Laufe der Jahre gewachsen ist. 1960 lag der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch noch unter 1.600 kWh. In gut 50 Jahren hat sich die Leistungsabnahme also mehr als verdoppelt.
Es gibt in der Landeshauptstadt mittlerweile den hoffnungsvollen Effekt, dass der Stromverbrauch sinkt. Die Höchstmarke registrierten die Städtischen Werke 2008 mit 1,024 Milliarden kWh. 2012 sank der Wert unter die Milliardenmarke und nimmt seither weiter ab, trotz steigender Einwohnerzahlen. Möglicherweise zeigen sich hier in der Tat erstmalig wirksame Effekte energiesparender Gerätetechnik. Übrigens wird für rund 40.000 Haushalte der Elbestadt Strom im Müllheizkraftwerk Rothensee (MHKW) erzeugt. 370 Millionen kWh elektrische Energie stellt das MHKW dafür jährlich bereit. Außerdem kommen 350 Millionen kWh Fernwärme für 44.000 Haushalte vom Rothenseer Energieerzeuger.
Die gigantischen Leistungswerte mögen in ihren Zahlenwerten eindrucksvoll sein. Welcher technische Steuerungsaufwand dahinter steckt, um die Spannung in einer Netzfläche von 62 Quadratkilometern stabil zu halten, wird aus den Zahlen kaum ersichtlich. Im Aufrechterhalten der Spannungsstabilität liegt auch der Hase im Pfeffer, wenn es um erneuerbare Energien geht.
In Sachsen-Anhalt ist der Anteil der sogenannten Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf den Strompreis, also jene Gebühr, die zur Förderung solcher Anlagen dient und wovon die Entgelte für die Einspeisung ins Stromnetz bezahlt werden, besonders hoch. Das liegt daran, dass wir im Land mittlerweile die höchste Anzahl für Windkraftanlagen und Solarstrom haben. Ökologisch klingt das zunächst vorbildlich. Was man jedoch selten sieht, ist der technische Regelaufwand, um die Schwankungen des eingespeisten Stroms solcher Anlagen auszugleichen.
Bläst kein Wind und reicht die Sonneneinstrahlung nicht aus, um EEG-Anlagen zur Stromerzeugung anzusprechen, fällt die Einspeisung dieser Energie mitunter auch mal relativ abrupt aus und der Spannungsabfall muss von anderen Stromerzeugern aufgefangen werden. Umgekehrt: Steigt die Leistung der EEG-Anlagen, können Kohle-, Kern- und sonstige konventionelle Verbrennungsanlagen vom Netz genommen werden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Spannungen im Bereich von bis zu 10.000 Volt lassen sich nicht mit kleinen Reglern mal kurz an- oder abschalten. Ebenso ist es mit Stromerzeugerverbrennungsanlagen, die nicht von sofort auf gleich wieder hochgefahren werden können, als drücke man auf einen Lichtschalter. Je mehr EEG-Anlagen ans Netz gehen, umso komplexer wird der Regelbedarf. Die Netzbetreiber stellt das vor enorme Herausforderungen. Stromspeicher für Größenordnungen im Hochspannungsbereich, die dauerhaft für einen Spannungsausgleich sorgen können, gibt es derzeit noch nicht. Die Investitionen in die Netz- und Regeltechnik sind hoch und müssen ebenfalls aus der EEG-Umlage finanziert werden.
So ökologisch sinnvoll eine Energieerzeugung aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft erscheint, dies wird nach dem Stand der Technik in kurzer Frist nicht realisierbar werden. Eine flächendeckende Versorgung und eine Gewährleistung der benötigten Spannungsstabilität nach heutigem Energieverbrauch birgt hohe Risiken. In weiten Teilen Deutschlands könnte die Spannung zusammenbrechen, wenn wegen eines Wetterumschwungs EEG-Anlagen plötzlich als Einspeiser ausfallen. Würde ganz Norddeutschland ohne Strom sein, brauchte es mehrere Tage, um das Netz wieder nach und nach auf eine angemessene Spannung zu bringen.

Eines von sechs Magdeburger Umspannwerken zur Spannungswandlung.

Ein derartiger Ausfall könnte unser Leben in einen Katastrophenzustand katapultieren. Nicht nur die Kommunikation, sondern die komplette Versorgung, die heute ohne Strom nicht steuerbar ist, würde zeitweilig zusammenbrechen. Hier greifen auch die Bedenken bei terroristischen Angriffen gegen Energieerzeugungs- bzw. Netzwerkbetriebe. Ebenso ist man in der Öffentlichkeit heute für mögliche Hackerangriffe sensibilisiert. Auf Nachfrage von MAGDEBURG KOMPAKT bei den Städtischen Werken beteuert deren Sprecherin, Anja Keßler-Wölfer, dass man derzeit keine Angst vor Angriffen aus dem Internet habe müsse. „Unsere Anlagen sind sicher“, sagt sie. Eine Überwachung erfolge permanent und sie würde stets auf dem neuesten Stand gehalten werden. Über Sicherheitsdetails und den konkreten Schutz des Magdeburger Betriebes will sie eben der Sicherheit wegen keine weiteren Informationen geben.
So selbstverständlich die Spannung an der Steckdose zu jederzeit anliegt, so selbstverständlich ist das gar nicht. Blickt man nur 100 Jahre zurück, erfährt man, dass 1920 noch nicht einmal 50 Prozent der Berliner Haushalte ans Stromnetz angeschlossen waren. Und damals galt Elektrizität in der Lebensvorstellung der Menschen zunächst ausschließlich als Lichtspender. Wenn wir uns bewusstmachen, was sich in einem Jahrhundert durch Strom verändert hat, kann man die Bedeutung dieser Energie vielleicht einigermaßen fassen. Thomas Wischnewski


Kompakt

Wie setzt sich der Strompreis bei der SWM zusammen?

Der Strompreis besteht mittlerweile zu über 50% aus gesetzlichen Steuern und Abgaben. Sie werden als durchlaufende Posten von den Energieanbietern weitergegeben und auf alle Kunden umgelegt. Knapp ein Viertel des Strompreises resultiert aus Kosten, die der Energieanbieter auch tatsächlich beeinflussen kann: Strombeschaffung, Vertrieb und Service.

Der Energieträgermix aus der Magdeburger Steckdose

Bei der SWM fließen derzeit 8 Prozent Kernenergie, 24,9 Prozent Kohle, 4,4 Prozent aus Erdgas, 6,6 Prozent aus sonstigen fossilen Energieträgern, 14,9 Prozent aus so genannten Erneuerbaren Energien und 41,2 Prozent aus Erneuerbaren Energien, die nach dem EEG gefördert werden, in das Stromangebot ein. Die SWM bieten aber auch einen Strom an, der zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird.

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