Schwein gehabt …
Über die tierische Einbildungskraft von Menschen und manch wundersame Vorstellung, was unsere Vierbeiner über uns so alles denken würden.
Sie haben doch sicher schon mal so richtig „Schwein gehabt“. Hin und wieder möchte man einen wirklich üblen Zeitgenossen auch mit „Dreckschwein“ beschimpfen. Glück und Übel liegen meistens dicht beieinander. Dass die einst domestizierte Sau für Hochgenuss und Abscheu herhalten muss, ist wirklich eine kuriose Entwicklung menschlicher Kultur. Nicht einmal für den sprichwörtlichen „Schweinestall“ kann das arme Tier. Als Haustier im eigenen Hof taugt es seit der industriellen Massentierhaltung schon lange nicht mehr und Mastbehausungen hat es weder errichtet noch sich selbst freiwillig dort hineinbegeben. Offenbar fällt es uns Menschen sehr schwer, das eigene Tun als Ursache mancher Folge zu erkennen. Aber bekanntlich „scheißt der Hund“ auf die Dinge, die uns ziemlich egal sind.
Fast könnte man denken, der Mensch sei eher Feind als Freund der Tiere. Das jedoch stimmt ganz und gar nicht. Zum einen sind da die Nutztiere, Tiere, die der Mensch für seine Zwecke aus der Wildnis herangeholt und unter seiner Obhut gezüchtet hat. Die Palette reicht von Honigbienen und Seidenspinnern über Karpfen und Forellen bis hin zu Hüte- und Wachhund, Pferd, Rind, Schaf, Ziege und Schwein. Zu denken sei aber auch an solche Tiere, die keine andere Aufgabe haben, als uns ein guter Freund zu sein. Nicht wenige Menschen entwickeln zu ihrem Hund, zu ihrer Katze, zu ihrem Pferd eine Zuneigung, die intensiver ist als die zu anderen Menschen, inklusive die zum Lebenspartner. Nicht nur, dass solche Tiere zum Streicheln einladen, weit mehr als irgendwelche menschlichen Partner, nein, Bello wie auch Minka freuen sich immer, wenn wir nach Hause kommen. Egal, in welcher Verfassung. Auch erweisen sich Hund, Katze und Pferd in einer Weise dankbar für Futter und Pflege, wie all die Menschen, denen wir Gutes tun, leider nicht immer. Höchst ausnahmsweise beißt ein Hund in die Hand, die ihn füttert, unter Menschen hingegen kommt das regelmäßig vor. Auch müssen wir an Menschen denken, die total vereinsamt sind. Ihnen bleibt am Ende nur noch das kuschelige Pelztierchen.
Die Vierbeiner sind mittlerweile genauso in den Zivilisationsprozess eingebettet wie der Mensch selbst. Da gibt es Geschenke zu Ostern und Weihnachten, Leckereien, von denen man meint, dass sie das possierliche Wesen glücklicher machen würden. Überhaupt hat das Glück der Tiere – was das auch immer sei – für manche Liebhaber schon Verfassungsrang erklommen. Zwar kann keines der Wesen zum eigenen Glück befragt werden, dennoch wissen die tierischen Experten ganz genau, was die Lieblinge wollen, was sie fühlen und einige glauben sogar an ihr Denken.
Denken ist leider ein schwammiger Begriff. Wir meinen zwar der eigenen Gedankenwelt wegen, genau zu wissen, was das ist, aber die Neurobiologie hat uns diesbezüglich noch keine weitreichend erhellende Erklärung geschenkt. Und so darf die Fantasie und Einbildungskraft von Homo sapiens anderen biologischen Existenzen übergeholfen werden. Die niedlichsten Erscheinungen treffen können Sie im Alltag, auf der Straße oder im Park antreffen. Beispielsweise wenn Frauchen oder Herrchen eindringlich auf ihren vierbeinigen Sprössling einreden. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du das nicht tun sollst“, lautet dann so eine Standpauke an das arme Hündchen.
Übrigens schätzt man in Berlin den liegenbleibenden Hundekot auf täglich 55 Tonnen. Immerhin sollen in der Bundeshauptstadt rund 250.000 Hunde existieren. In Magdeburg sind es etwas über 11.000. Die Haufen wachsen eben mit der Anzahl der Hunde. Natürlich sieht das eine Herrchen oder Frauchen ein Malheur seines bzw. ihres Schützlings nur als zu vernachlässigenden Einzelfall an. Und für die anderen sei man schließlich nicht verantwortlich.
Doch Verantwortung bleibt eine menschliche Angelegenheit und keine, die einem Tier übergeholfen werden könnte. Doch offenbar verschmilzt die große Liebe zum Tier längst mit menschlichen Wertmaßstäben. So unterschrieben in kürzester Zeit fast 300.000 Menschen eine Petition für den Kampfhund Chico, der zwei Menschen zerfleischt hatte. Wann setzen sich derart viele Menschen eigentlich für das Leben anderer Menschen ein? Und sei es nur per Unterschrift. Während man heute mit Fug und Recht behaupten kann, dass die meisten Hündchen und Kätzchen im Terrain ihrer Versorger wirklich „Schwein gehabt“ haben, kann man das für viele Menschen nicht sagen. Natürlich darf man Hund und Katz nicht mit Menschen über einen Kamm scheren. Aber welche Haustierbesitze tut genau das eigentlich nicht? Thomas Wischnewski und Gerald Wolf