O Tannenbaum, o Tannenbaum, du kannst mir sehr gefallen!
Alle Jahre wieder haben wir zur Weihnachtszeit eine erneute Diskussion über ein Für und Wider zum Weihnachtsbaum. Er kann offenbar nicht allen gefallen. Stefan Adler, der als Waldreferent für den NABU tätig ist, schwingt die Moralkeule. Zu Weihnachten sollten wir alle, die wir auf den traditionellen Weihnachtsbaum nicht verzichten wollen, wenigstens ein schlechtes Gewissen haben! Weihnachtsbäume kämen aus Monokulturen, sie würden gedüngt und zum blanken Entsetzen aller anständigen Menschen wird der Boden sogar mit Herbiziden krautfrei gehalten. Als vermeintlich gute Alternative schlägt der Waldreferent des NABU den immerwährenden Christbaum als Kübelpflanze vor, der im Garten übersommert. Aber mangels eines eigenen Gartens haben für diese Verfahrensweise überhaupt nur Wenige die Möglichkeit und wer will schon Kübel schleppen, die bei einer einigermaßen ansehnlichen Baumgröße mindestens 50 Kilogramm wiegen?
Grotesk erscheint vielen, die in der landesüblichen Weihnachtstradition verwurzelt sind, der Vorschlag, man möge Zweige ganz anderer Baumarten schmücken oder gar aus Naturmaterialien einen ökologisch korrekten Weihnachtsbaum basteln. Da dürfte dann wohl Alt und Jung manch liebgewonnenes Weihnachtslied im Halse stecken bleiben! Wer wie ich zur DDR-Zeit für den Weihnachtsbaum der Familie zuständig war, kann vom Selberbasteln ein Liedchen singen. Damals bot der volkseigene Handel überwiegend Bäume an, die beim Auslichten der Fichtenschonungen abfielen. Die waren häufig keine Augenweide, ungleichmäßig oder gar krumm und schief gewachsen. Da kauften wir dann manchmal zwei Bäume. Teuer waren sie ja nicht. Einer diente als Spender für eine Zweigtransplantation.
Ich erinnere mich, dass ich einmal mit meinen zwei Bäumen in die Straßenbahn einstieg und mir der höhnische Kommentar eines Fahrgastes zu Ohren kam: „Da würde mich meine Olle aber hochkantig rausschmeißen, wenn ich mit solchen Krücken nach Hause käme“. Ja, ich hatte den Fehler gemacht, mich erst etwa zehn Tage vor Weihnachten um einen Baum zu kümmern. Da konnte man nicht viel mehr als „Krücken“ erwarten. Nun, meine Frau, hat mich nicht rausgeschmissen, sondern mich Heiligabend sogar gelobt, dass es mir gelungen war, die Lücken zuzutransplantieren. Weitere heikle Stellen, die ich nicht hatte heilen können, hat sie dann selbst mit Lametta zugehängt. Allerdings waren die Nadeln der verpflanzten Zweige dann schon zu Neujahr abgefallen.
Zurück zu den Lehren von NABU und BUND: Wie so oft halten sie auch zu Weihnachten einem Faktencheck nicht stand. Die Produktion von Weihnachtsbäumen, ganz gleich aus welcher Anbauweise sie kommen mögen, hat mitnichten eine schlechte Ökobilanz. Im Gegenteil! Im Sauerland, eines der wichtigsten Produktionsgebiete von Weihnachtsbäumen in ganz Europa, haben Forscher der Fachrichtung Biodiversität und Landschaftsökologie von der Universität Osnabrück die Situation untersucht. Das Ergebnis: Die Weihnachtsbaumkulturen sind die Nutzfläche, wo man die meisten und unterschiedlichsten Vogelarten der roten Liste findet, z. B. Bluthänflinge, Fitislaubsänger, Goldammern und Heidelerchen. Das ist übrigens nicht trotz, sondern wegen des Glyphosateinsatzes so, denn diese Vogelarten benötigen den unbewachsenen Boden am Fuß der Weihnachtsbäume, um erfolgreich Spinnen und Insekten jagen zu können. Dass Christbäume als regenerierende Energiespender einen weiteren Öko-Pluspunkt erhalten, darauf hat der NABU schon selbst verwiesen.
Uns ist unsere jährliche Nordmanntanne allerdings zum Verbrennen zu schade. Wir bringen sie (natürlich frei von Lametta) unmittelbar nach dem Dreikönigstag (Epiphanias) als Delikatesse einem Esel, der von einer befreundeten Familie gehalten wird. Schließlich sollen es Esel, die ja bekanntlich der Überlieferung nach bei Jesu Geburt neben der Krippe gestanden haben, in der Nachweihnachtszeit auch mal so richtig gut haben! Prof. Dr. Reinhard Szibor