„Nichts anderes als Klassenerhalt zählt“

FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik erklärt im Interview mit MAGDEBURG KOMPAKT die Herausforderungen der zweiten Fußball-Bundesliga für den Club und wie die Blau-Weißen diese meistern wollen.

Dem 1. FC Magdeburg ist in diesem Frühjahr mit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga der größte Erfolg in der Fußballgeschichte der Landeshauptstadt seit der Wende gelungen. Mit dem Klub ist quasi eine ganze Stadt aufgestiegen. Dafür gab es Beifall und Anerkennung von allen Seiten. Doch spätestens am 1. Juli, wenn offiziell die neue Saison beginnt, kann der FCM, brutal gesprochen, sich dafür nicht mehr allzu viel kaufen. Wie geht der Verein mit dieser Situation um?
Mario Kallnik: Für uns ist diese Situation so ungewohnt nicht. Es ist im Sport doch so: Erfolge sind schön, aber einige Tage später schnell vergessen. Sie müssen immer wieder neu bestätigt werden. Genau darum geht es nun. Für uns in der Klubleitung hat die Arbeit in der zweiten Liga am 23. April begonnen, dem Tag, unmittelbar nach dem der Aufstieg feststand. Nun sind wir erstmals nach 28 Jahren auf der großen Fußballbühne Deutschlands präsent. Das macht uns stolz. Einerseits bietet die zweite Liga viele Chancen, hat aber ebenso gewisse Risiken. Kurz gesagt: Wir stehen als FCM vor der großen Herausforderung, dem Wettbewerb in der zweiten Liga standzuhalten.

Das heißt?
Nicht nur sportlich warten gewaltige Aufgaben auf uns, auch in der Organisation und im strukturellen Bereich. Wir müssen uns schnell ordnen, um die nächsten Schritte in unserer Entwicklung gehen zu können.

Wird das mit großen personellen Veränderungen einhergehen?
Wir werden uns mit einem gebotenen Augenmaß erweitern und somit die Spezialisierung in den einzelnen Bereichen vorantreiben. Zum Beispiel ist geplant, dass Maik Franz (bisher Assistent der Geschäftsführung, d. Red.) die Leitung der Lizenzabteilung übernimmt und somit als weitere Führungskraft im sportlichen Bereich fungiert. Torwarttrainer Matthias Tischer, der bisher für alle Keeper des Vereins zuständig war, kümmert sich zukünftig nur noch um die erste Mannschaft und die A-Jugend.

Nun sagen Leute, die sich auskennen, dass zwischen dritter und zweiter Liga vehemente Unterschiede existieren. Sehen Sie das ähnlich?
Ja, dem ist so. Die Vorteile in der dritten Liga, neben finanziellen Aspekten auch mit einem tollen Stadion und sehr vielen Zuschauern Spieler für den 1.FC Magdeburg werben zu können, existieren in dieser Form nicht mehr. Nahezu Mannschaften in der zweiten Liga haben große Stadien und können auf eine ordentliche Anzahl an Zuschauern verweisen. Da wir aus finanzieller Sicht von Platz 18 aus starten, müssen wir in unserer Überzeugungskraft und Entschlossenheit noch stärker werden. Dennoch nehmen wir den Wettbewerb an. Unsere Grundtugenden und unsere Philosophie haben wir in den vergangenen Jahren entwickelt, und genau darauf werden wir weiter aufbauen.

Das übliche Understatement des Neulings? Wie begründen Sie Ihre Haltung?
Vielleicht dazu ein Beispiel: Die TV-Gelder machen nun unseren größten Einnahmeposten in der neuen Liga aus. Zum einen ist diese Einnahmesäule extrem gewachsen, doch die unterschiedliche Aufteilung der Gelder anhand der Fünfjahreswertung bedeuten für uns im Vergleich zu allen anderen Zweitligamannschaften die geringsten Einnahmen in dieser Position. Das bedeutet, wir erhalten etwa acht Millionen Euro und etabliertere Vereine zum Beispiel 14 Millionen Euro. Selbst Mitaufsteiger SC Paderborn bekommt eine halbe Million mehr, weil er in der Vergangenheit schon einmal höherklassig vertreten war.

Nun sind Fernsehgelder nicht alles.
Richtig, ein Plus für uns muss es sein, dass wir uns auf ein eingespieltes Team in nahezu allen Bereichen des Vereins stützen können. Auch wenn wir einen kleinen Umbruch vorgenommen haben, so sind nahezu alle wesentlichen Leistungsträger weiterhin dabei. Da für fast alle Spieler die zweite Liga Neuland sein wird, werden sich unsere Jungs insbesondere beweisen wollen.

Kiel, Regensburg und Duisburg haben in der zurückliegenden Saison gezeigt, wozu Neulinge selbst in dieser Klasse in der Lage sind.
Die Euphorie spielt gerade bei Neulingen eine große Rolle. Bei uns kommt noch die ungeheure Begeisterungsfähigkeit und großartige Unterstützung der Fans hinzu, die das Team zu manch zusätzlichem Punktgewinn tragen können.

Inwieweit setzt der Klub darauf, dass die zuletzt so oft beschworene FCM-DNA auch in der zweiten Liga weiter trägt?
Von dieser DNA reden wir in ihren Anfängen eigentlich schon seit den Jahren 2012/13. Sie wurde unter Trainer Jens Härtel in den Folgejahren weiter ausgeprägt. Wir setzen weiterhin auf Kompaktheit, Entschlossenheit und Charakter. Dabei wird das Team stets im Mittelpunkt stehen. Neuzugänge werden wir neben ihren fußballerischen Qualitäten vor allem nach ihrem Charakter auswählen, unsere DNA zu verinnerlichen und leben zu können.

Manche Verantwortliche anderswo tun sich dabei schwer, ein Saisonziel zu benennen. Konkret gefragt: Wie sieht das beim FCM aus?
Da gibt es überhaupt kein Vertun: Unser erklärtes Ziel ist, so schnell wie möglich die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu holen. Sollte uns das gelingen, können wir die Weiterentwicklung auch in der zweiten Liga vorantreiben.

Mit welchem Etat geht der FCM in die neue Liga?
Er wird sich bei zirka 17 Millionen Euro bewegen. Knapp die Hälfte davon werden die Zuwendungen vom Fernsehen ausmachen, 5,5 Millionen Euro kommen von Sponsoren, die restliche Summe generieren wir aus dem Ticketverkauf.

Durch die laufenden Bauarbeiten am Stadion wird die Zuschauerkapazität in der Arena teilweise eingeschränkt sein. Mit welchem Schnitt
kalkuliert der FCM in der neuen Spielzeit? Wir legen unseren Planungen derzeit einen Schnitt von 20.300 Besuchern pro Partie zugrunde.

Lassen Sie uns ein wenig über die Mannschaft reden, die das alles stemmen soll. Etwa ein Drittel des Kaders ist aus unterschiedlichen Gründen verabschiedet worden, man darf also von acht bis neun Zugängen ausgehen. Warum hat der Klub bisher noch keine Neuen präsentiert?
Wir halten es von jeher so, darüber nie vor Abschluss der Saison offiziell zu reden. Und die letzte Partie ist eben das Finale um den Landespokal am 21. Mai. Natürlich beschäftigen wir uns intern seit längerem mit möglichen Zugängen. Dabei kommt der von Maik Franz aufgebauten Scouting-Abteilung eine wesentlich prägendere Rolle als noch in den vergangenen Jahren zu. Einer möglichen Erwartungshaltung, unmittelbar nach dem 21.Mai den kompletten Kader für die kommende Saison zu benennen, kann ich heute bereits entgegentreten. Bis auf Tobias Schwede haben wir alle Spieler halten können, die wir auch unbedingt behalten wollten. Wie auch in den vergangenen Jahren werden wir acht bis neun Neuzugänge haben.

Weshalb dieser Stufenplan?
Zum jetzigen Zeitpunkt wissen viele Vereine und Spieler noch nicht, welcher Liga sie in der kommenden Saison angehören. Es laufen noch eine Reihe von Relegationsspielen, ebenso internationale Wettbewerbe. Daher kann sich in einigen Wochen bei einigen Akteuren, an denen wir aktuell interessiert sind, die Situation ganz anders darstellen als derzeit. Der Wechsel von Spielern zu uns wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit über die Sommerpause hinweg vollziehen.

Da Sie noch keine Namen nennen, auf welchen Positionen würde sich der FCM denn zuallererst verstärken müssen?
Ich würde gern von Ergänzungsbedarf sprechen. Der besteht eigentlich auf fast allen Positionen, Abwehr, Mittelfeld, Sturm.

Halten wir fest, mit sogenannten Krachern kann der Fan also nicht rechnen?
Wie schon gesagt, dazu sind wir, siehe TV-Gelder, finanziell nicht in der Lage. Einen gestandenen und aktuell sehr guten Zweitligaspieler mit Potential zu verpflichten, ist nahezu unmöglich oder verbunden mit erheblichen Risiken. Daher werden wir wieder Spieler verpflichten, von denen wir charakterlich absolut überzeugt sind und die ihr fußballerisches Potential noch steigern können.

Obwohl es dem FCM finanziell seit der Wende noch nie so gut gegangen ist wie derzeit?
Natürlich stehen wir wirtschaftlich positiv da. Aber ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass wir in der 1. FC Magdeburg Spielbetriebs GmbH am Ende der Saison 2017/18 mit einem geplanten negativen Jahresabschluss auslaufen werden.

Das müssen Sie uns erklären.
Ganz einfach: Wir haben vor der Saison für die Mannschaft, neben den normalen Prämien, eine Jahresleistungsprämie ausgelobt. Diese wird jetzt ausgezahlt und hat wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis im Jahresabschluss zum 30. Juni 2018.

Zurück zu möglichen Neuverpflichtungen. Wonach schauen Sie da?
Wir werden daran festhalten, junge Leute mit Qualität und mit Potenzial zu verpflichten, deren Charakter zu unserer Philosophie passt. Man könnte auch sagen, die der FCM-DNA entsprechen. Damit sind wir in der Vergangenheit sehr gut gefahren.

Weil wir gerade bei Wechseln sind. Was passiert eigentlich, wenn in den nächsten Wochen ein Bundesligist auf Sie zukommt und für Philip Türpitz, den überragenden FCM-Akteur der zurückliegenden Spielzeit und gerade als bester Drittliga-Spieler gekürt, eine siebenstellige Summe auf den Tisch legt. Bei welcher Höhe würde der FCM schwach werden?
Das ist sehr hypothetisch gefragt. Ganz ehrlich, daran verschwende ich erst einen Gedanken, wenn ein solches Angebot tatsächlich vorliegen sollte. Sollte dem einmal so sein, so werde ich einen Vorschlag erarbeiten, diesen den Gremien unterbreiten und am Ende werden wir gemeinsamen entscheiden.

Einer der Punkte, die Sie und Ihr Team demnächst intensiv beschäftigen wird, ist das Stadion. Die Stadt hat beschlossen, die statischen Probleme der Arena für 10,5 Millionen Euro zu beseitigen und das Fassungsvermögen auf 30.000 Zuschauer zu erhöhen. Dennoch monieren Sie fehlende Räumlichkeiten vor Ort.
Es ist lange bekannt, dass die infrastrukturellen Gegebenheiten vor Ort für die Mannschaft längst nicht mehr den Anforderungen einer Profimannschaft gerecht werden. Dazu befinden wir uns aktuell in Gesprächen mit der Stadt. Die Vorgehensweise, erst zu leisten und dann zu investieren, ist unter den Gegebenheiten des 1.FC Magdeburg die einzig vernünftige und realistische. Daher sind wir der Stadt Magdeburg sehr dankbar für die großartige Unterstützung in den vergangenen Jahren. Kommen wir voran, zieht die Stadt mit - und deshalb steigt neben dem Fußballclub auch eine ganze Stadt auf.

Zurück zur Frage: Woran fehlt es?
Es fehlen Räumlichkeiten für die Mannschaft, wie etwa eine Sauna, ein Kraftraum oder ein Ruheraum. Des Weiteren müssen die Räumlichkeiten einer Geschäftsstelle in unmittelbarer Stadionnähe erweitert oder neu geschaffen werden. Die aktuellen Bedingungen werden auch hier dem Wachstum des 1.FC Magdeburg nicht mehr gerecht.

Bis dahin werden Sie an Übergangslösungen, wie Container kaum vorbeikommen.
Es gibt bestimmte Dinge, die verlangt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) sofort, wie beispielsweise bestimmte Räumlichkeiten für die Medien. Andere Dinge müssen in den nächsten zwei bis drei Jahren auf jeden Fall gelöst werden. Container könnten vorübergehend als Zwischenlösung für Büroräumlichkeiten genutzt werden. Dennoch sage ich: Die infrastrukturellen Bedingungen sollten mittelfristig gelöst werden, um langfristig erfolgreich zu sein. Fragen: Rudi Bartlitz

Zurück