Mit dem Elektro-Auto durchs Land

Es begann mit einem Besuch in der Autostadt samt Probefahrt. Mit einem Elektrofahrzeug, versteht sich. Mein Freund ist begeistert. So ein Auto brauche ich! Sagt’s und bestellt’s. Als Firmenwagen. Nach rund einem Jahr steht es abholbereit beim Hersteller. Und damit gibt es das erste Problem. Zwischen Abhol- und Heimatort liegen 250 Kilometer. Waren bei der Bestellung mögliche 300 Fahr-Kilometer angegeben worden, wird die maximale Strecke beim Kauf vom Hersteller auf 230 Kilometer begrenzt. Es gibt mittlerweile das neue Testverfahren WLTP. Die Streckenangabe berücksichtigt allerdings nicht die Nutzung weiterer Technik (Klimaanlage, Radio, Navi usw.). Zudem werden erste Probekilometer bereits auf dem Firmengelände zurückgelegt, zum Einfahren. Wie also das Fahrzeug nach Hause holen?

Die Lösung: ein Transporter. Mein Freund ist Kfz-Meister mit eigener Firma. Der neue Elektroflitzer ist für seine Kunden gedacht. Als Ersatzfahrzeug während Reparaturen – und natürlich, damit sie ebenfalls in den Genuss kommen, so ein Fahrzeug auszuprobieren. Bisheriges Ergebnis: Alle sind begeistert! So leise! So tolle Technik! Was der alles kann! Ausstattung mit Schnick und Schnack und so wendig …. Alles ist über Apps regelbar, vom Akku-Ladestand bis zur Autosuche auf großem Parkplatz. Und das Navigationssystem! Traumhaft. Über LTE wird das Handy zum Hotspot, da kann doch nichts schief gehen. Es sei denn, man ist in der Altmark – da gibt es keinen Handyempfang. Aber es gibt ja auch nur eine Ladesäule in Stendal – keine Gegend für Elektroautos.

Für längere Fahrten – nicht nur in die Altmark – wurde beim Kauf des Elektroflitzers übrigens vertraglich ein (benzin- bzw. dieselbetriebenes) Ersatzfahrzeug zugesichert. Wenn man ihn rechtzeitig bestellt. Doch – ein Leihwagen ist was für Feiglinge! „Ich mache die Probe aufs Exempel!“, sagte mein Freund und wagte sich an eine Strecke von rund 300 Kilometern, von Westfalen nach Magdeburg. Bisher eine Fahrzeit von maximal drei Stunden. Der Weg ist das Ziel – los geht’s! Um 15 Uhr.

Vorher noch schnell im Navi geschaut, wo auf der Strecke Ladesäulen sind. 1. Station bereits nach 30 Kilometern. Zu nah! Die nächste Möglichkeit – in Hannover. Strecke: 180 km. Keine Chance. Weitere Möglichkeiten über App gefunden: 150 km bis Rastplatz an der A2. Das müsste klappen. Also hin, anstöpseln an die Ladesäule – nichts passiert. „Die funktioniert nicht“, heißt es auf Nachfrage im Imbiss nebenan leicht genervt. Die werden schon den ganzen Tag gefragt, haben aber nichts damit zu tun. Also Weiterfahrt – rauf auf die Autobahn, nächste Abfahrt, runter auf die andere Seite zum nächsten Rastplatz. Mittlerweile blinkt die Akku-Anzeige leicht hektisch. Dort funktioniert die Ladesäule – mit 11 kW. Beim Schnelllader keine Chance. Ladezeit nach anderthalb Stunden abgebrochen. Bis zur nächsten Station sollte es reichen. Hannover. Schnelllader. Identifizieren über QR-Quode. Warten. Nichts passiert. Hotline des Betreibers angerufen. „Gestern funktionierte es noch.“ Wenig hilfreich. Nächste Ladesäule im Industriegebiet. Mittlerweile ist es nicht nur dunkel, auch orientierungsschwer. Das Smartphone ist durch die Dauernutzung kurz vorm Aufgeben, in einem Imbissgeschäft darf der Akku geladen werden. Doch nur eine Viertelstunde – dann ist Schließzeit. Was nun? Hotelzimmer suchen oder abschleppen lassen? „Jetzt fahre ich bis der Akku leer ist“, beschließt der Fahrer. Es ist 21.30 Uhr, als er hinter Hannover eine weitere Raststätte erreicht – die schließt allerdings eine halbe Stunde später. Einen Kaffee zum Aufwärmen gibt es noch und eine Schnellladung für den Elektroflitzer. Mit rund 89 Prozent Leistung geht`s weiter. Ankunftszeit in Magdeburg: 23 Uhr. Nach acht Stunden! Das geplante Abendprogramm ist längst vorbei. „Aber es war nicht langweilig“, sagt der Fahrer lachend.

In Magdeburg gibt es sieben Ladesäulen. Eine zum Glück in meiner Nähe. Sah man vor einem Jahr selten ein Auto dort, bilden sich mittlerweile Warteschlangen. Fazit: Planung ist beim Elektrofahrzeug das Wichtigste. Ein Kanister Benzin kann man bei anderen Fahrzeugen für den Notfall mitnehmen, für eAutos gibt es so etwas nicht. Fahrer müssen gedanklich immer drei Schritte voraus denken: Zeit, Entfernung, Lademöglichkeit. Nach einem halben Jahr hat es sich „eingespielt“. Tagesfahrten bis 150 km sind ok, alles weitere eine logistische Herausforderung.

Die Ladezeit für ein Elektroauto variiert nach Modell und Lademöglichkeit – ob mit 11 oder 22 kW oder Schnelllader (1 Stunde). Zuhause über 220 Volt  dauert es 17-19 Stunden, über Wallbox 4-5 Stunden. Preiswerter ist es, wenn man die richtige Ladesäule findet: die Preise variieren zwischen kostenfrei in den Städten, 8 Euro auf der Landstraße und bis zu 25 Euro an der Autobahn. So sind die 300 Kilometer rein theoretisch für 10 Euro machbar, mit dem Benziner kostet die Strecke um die 40 Euro. Weitere Vorteile des eAutos: 10 Jahre steuerfrei, danach kostet es je nach Akkuleistung um die 70 Euro/Jahr. Viele Parkplätze sind für eAutos kostenfrei oder vergünstigt, in Parkhäusern kann kostenfrei Strom geladen werden (bei Zahlung der Parkgebühr), in Großstädten darf die Busspur genutzt werden. Was meinem Freund am besten gefällt: An seinem Heimatstadion gibt es eine Ladesäule direkt vor dem Eingang zum Fußballstadion!

Die Rückfahrt übrigens hat sehr gut geklappt, alle Säulen funktionierten, mit Tempomat 120 (bester Verbrauch) betrug die Fahrzeit ziemlich genau drei Stunden – plus eine Dreiviertelsunde Ladezeit. Geht doch. Kommt halt drauf an, in welche Richtung. Und dass kein Stau ist. Birgit Ahlert

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