Luftsprünge, Zeppeline & Raketen - Teil 2

Wasserlandung oder Airport?

Magdeburgs kommerzieller Verkehrslandeplatz eröffnete an der Berliner Chaussee im Mai 1929 samt Verwaltungsgebäude, Wetterwarte, Passabfertigung und Restaurant.

Seit Hans Grades Motorflug 1908 griff das Flugfieber in Magdeburg um sich. Tollkühne Männer mit ihren „Fliegenden Kisten" holten den kommerziellen Flugbetrieb an die Elbe. 1919 berechtigte der Militärfiskus die Stadt Magdeburg, auf dem Exerzierplatz am Cracauer Anger einen Flugplatz einzurichten und zu betreiben. Die neu gegründete „Luftreederei" übernahm den Transport von Luftpost, Passagierverkehr, Reklame- und Schauflüge sowie die Ausbildung von Flugschülern. Eine Flughalle entstand und der reguläre Flugbetrieb begann. Schon ein Jahr später landete die Luftpost aus Berlin und München regelmäßig in Magdeburg. Auch die Zahl der Passagiere stieg stetig. Bald reichte das Areal nicht mehr aus und 1925 folgten umfangreiche Erweiterungen. Magdeburg rückte immer näher an das sich entwickelnde Luftverkehrsnetz. Und eine „nasse Piste" kam hinzu: Am 10. August 1925 flogen die ersten Wasserflugzeuge die Elbe bei Magdeburg an. Gestartet war die Maschine 13:05 Uhr bei Altona. Ziel war das rund 400 Kilometer entfernte Dresden. Schaulustige folgten an dem heißen Sommertag dem Spektakel, als Hamburgs Oberbürgermeister Max Brauer die „Blaue Linie” offiziell einweihte, Europas erste Wasserflugverbindung. Mit den in den Junkerswerken gebauten Wasserflugzeugen vom Typ F-13 verkehrten zwischen der damals noch selbstständigen Stadt Altona und der sächsischen Landeshauptstadt mit Zwischenstopp in der Industriestadt Magdeburg Verkehrsflugzeuge. Sie transportierten Geschäftsreisende und Post, Pakete und Waren wie Frischfisch aus dem Altonaer Fischereihafen.

Magdeburg war Zwischenstopp der Wasserflugzeuge Junkers F13 der „Blauen Linie” – einer Fluglinie zwischen Altona und Dresden.

Die Junkers F 13 war geplant für den wirtschaftlichen Luftverkehr und hatte Platz für vier Passagiere. Die knapp zehn Meter lange Maschine war gänzlich aus Metall gebaut, verfügte über ein BMW-Triebwerk und brachte es auf 170 km/h. Es gab sie in verschiedenen Ausführungen – mit Fahrwerk, Schneekufen oder Schwimmergestell. Die Kabine der F 13 war sogar beheizbar und damit ganzjährig im Einsatz. Ihr Innendesign entsprach dem damaligen Zeitgeist und war beeinflusst vom modernen Geist des Dessauer Bauhauses. Ein Teil der berühmten Bauhaus-Stahlrohrmöbel wurden teilweise in den Flugzeugwerken gefertigt. In den 1920er-Jahren entwickelte sich die F 13 zum Exportschlager von Deutschlands führendem Flugzeugbauer, insgesamt stellt Junkers mehr als 300 Maschinen des Typs F 13 her.

Am Premierentag lag die F 13 mit fünf Minuten Verspätung ab. Während die Junkers F 13 planmäßig in Magdeburg auf der Elbe aufsetzte, ließ die Maschine aus der Gegenrichtung auf sich warten. In Magdeburg war sie bei der Landung mit einem Bootshaken kollidiert, der Propeller hatte sich verklemmt und musste repariert werden. Weil die Mittagshitze auf dem Ponton inzwischen unerträglich geworden war, flüchteten sich die Honoratioren mit ihren Ehefrauen in ein schattiges Gartenlokal am Elbufer, bis die Maschine endlich eintraf.

Allerdings war diese Art von Fliegerei nur von kurzer Dauer. Die „Blaue Linie” wurde kein Erfolg. Bis zum Sommer des Jahres 1926 fanden nur 134 Flüge statt. Die Luftpostbeförderung endete schon im November 1925. Wegen Hochwasser und Eisschollen konnten die Maschinen im Winter oft nicht starten, bei der Kälte blieben die Passagiere aus. Anfang 1926 übernahm die Deutsche „Luft Hansa” den Betrieb, ein Zusammenschluss des Junkers Luftverkehr mit der Deutschen Aero Lloyd. Die neue Betriebsgesellschaft plante jetzt sogar, die Linie bis zur Insel Helgoland zu verlängern. Doch dazu kam es nicht mehr. Preußische Exaktheit verhinderte den Ausbau der Linie Dresden - Magdeburg - Hamburg: Der Wasserflughafen an der Südspitze des Rotehornpark erschien den Musterbeamten zu klein und die Landekonzession wurde entzogen. Als im Sommer 1926 auch eine Landflugverbindung vom Flughafen Dresden-Heller nach Hamburg-Fuhlsbüttel angeboten wurde, konnte die „Blaue Linie” nicht mehr mithalten und stellte ihren Betrieb ein. Die Wasserpontons der F-13-Maschinen tauschte man gegen Reifen, damit die Flugzeuge von festem Boden abheben konnten.

Auch auf dem alten Flugplatz tat sich einiges. Die Militärbehörden zogen ihre Nutzungserlaubnis für den Flugbetrieb auf dem Exerzierplatz zurück. Aus diesem Grund erwarb die Stadt das Gut Heyrothsberge mit dazugehörigem Gelände und begann mit dem Bau eines neuen Verkehrslandeplatzes. Dieser konnte im Mai 1929 mit dem Sommerflugplan als Flugplatz-Ost samt Verwaltungsgebäude, Wetterwarte, Passabfertigung und Restaurant seinen Betrieb aufnehmen. Die Magdeburger Luftverkehrsverbindungen wurden Anfang der 1930er Jahre dichter und zahlreicher. So wurde zum Beispiel die Strecke Hamburg-Magdeburg-Halle/Leipzig mit einer 92-prozentigen Auslastung zu einer der am meisten beflogenen Strecken in Deutschland. Eine Sensation für die Stadt folgte am 7. Juni 1931: Luftschiff LZ 127 „Graf Zeppelin" legte auf dem Flugplatz an der Berliner Chaussee an. Stadthonoratioren und mehr als 200.000 Magdeburger feierten euphorisch die Ankunft der fliegenden „Riesenzigarre". Die LZ 127 umfuhr als erstes und bis heute einziges Luftschiff die Erde. Am Tag der Ankunft in Magdeburg muss die Innenstadt wie leergefegt gewesen sein. Sämtliche Autos parkten in der Nähe des Flugplatzes, um die Sensation live zu erleben. Passagier der Zeppelin LZ 127 war auch der Magdeburger Hugo Karl Eduard Dietzsch, der die Fahrt des Luftschiffes zu eigenen Marketingzwecken nutzte. Während der Großteil der zahlungskräftigen Passagiere in Frack und Zylinder den Komfort und die leckeren Speisen (Prinzessinenkartoffeln und Fleischpasteten) genoss, reiste Dietzsch im blauen Monteurskittel und einer geheimnisvollen Kiste. Den Inhalt präsentierte er den wartenden Journalisten mit ihren Fotoapparaten und Kameras aus der Passagiergondel der „Graf Zeppelin”. Dietzsch war Unternehmer und hatte in der Nähe des Magdeburger Flugplatzes sein Gewerbegrundstück mit einem Nähmaschinenvertrieb. Im Anflug auf den Flugplatz streckte er eine Nähmaschine aus den Fenster und sicherte sich mit der Guerilla-Vermarktung seiner Produkte die Aufmerksamkeit der zahlreichen Zuschauer. Den Luftschiff-Aufenthalt gibt es auch als Bewegtbilder auf der DVD „Magdeburg zur Schmalfilmzeit” der Eulenspiegel-Multimedia, erhältlich im Shop Magdeburg-Souvenir am Domplatz.

Das Luftfahrtministerium zog im Jahre 1934 die zivile Betriebsgenehmigung für den Flugplatz-Ost zurück und im darauffolgenden Jahr wurde der Platz an die Luftwaffe abgegeben. Bald begann die Stadt mit dem Bau eines neuen Flughafens im Süden der Stadt. An der Leipziger Chaussee entstand ein neues Areal. Jetzt war die Anbindung an das Verkehrsflugnetz perfekt. Am 4. Januar 1936 erfolgte die Einweihung des Verkehrslandeplatzes Magdeburg Süd. Er war für Sport- und Verkehrsflugzeuge geeignet und bildete damit wieder die Voraussetzung für den Anschluss an das Verkehrsflugnetz. Dieser Platz ist auch noch heute Magdeburgs Drehkreuz für Flugbewegungen. Nach den verheerenden Bombardements durch englische und amerikanische Flieger am Ende des Zweiten Weltkriegs war der Flugplatz an der Berliner Chaussee nicht mehr nutzbar. Im April 1945 nahmen anrückende amerikanische Panzerverbände Magdeburg-Süd ein. Alles, was dort nicht niet- und nagelfest war, transportierte die Rote Armee nach der Übergabe des Platzes ab. Ein Neuanfang gestaltete sich schwierig. Ab 1951 formierten sich dann die Sportflieger auf dem Flughafen Magdeburg-Süd, die auch heute noch hier ihre Heimat-Basis betreiben. Ein Jahr später kamen die Freunde des Motor- und Fallschirmflugsports hinzu. 1953 begann der Wiederaufbau der Gebäude und Anlagen des Flughafens Magdeburg-Süd. Schon bald erstrahlte das Hauptgebäude wieder in altem Glanz. Ab 1957 folgte ein neues Kapitel in der Geschichte: Der Platz wurde Stützpunkt für Agrarflugzeuge. Tagtäglich starteten hier die gelben „Ackerhummeln” zu Einsätzen in der Land- und Forstwirtschaft. Nach der Wende 1989 stritten sich Stadtparlament und Anwohner des Flugplatzes über die weitere Nutzung: Wirtschaftsstandort contra Lärm. Die Stadtväter Magdeburgs entschieden weise und gründeten 1991 die Flughafen Magdeburg GmbH. Ein reger individualer Geschäftsreiseflugverkehr entwickelte sich und die Gebäude wurden modernisiert. Die feste Start- und Landebahn einschließlich der dazugehörigen Zu- und Abrollwege ersetzte 1993 die doch recht holprige Graspiste. Auf Beschluss des Stadtrates der Landeshauptstadt Magdeburg wurde Anfang 2009 der gesamte Betrieb des Flugplatzes Magdeburg von der Flughafen Magdeburg GmbH an die privat geführte FMB Flugplatz Magdeburg Betriebsgesellschaft mbH langfristig verpachtet. Ronald Floum

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