Kultur macht wohnen attraktiv
Buckau prägte Magdeburg als „Stadt des Maschinenbaus“. Die Gruson-Werke, Schäffer & Budenberg, später MAW, waren hier ansässig, ab den 1950er Jahren Kombinate wie SKET und SKL. Aus dem Arbeiterviertel entstand ein Mekka der Kunst und Kultur.
Es ist vor allem der Buckauer Engpass, der als „Künstlerviertel“ irgendwann von sich Reden machte. Buckau und Kunst? Ein völlig neuer Aspekt für uns Magdeburger. Großen Anteil daran hatte der Maler Jürgen Hänel, der 2005 in unsere Stadt kam und sich in dem Teil der Schönebecker Straße nierderließ, der als Engpass bekannt ist. Er öffnete sein Atelier auch für andere Künstler, veranstaltete Workshops, begründete die „Kunstwerkstatt“, als gemeinnütziger Verein. Gleich zu Beginn organisierte er die längste (Straßen)Galerie der Stadt: Mit Kunst gegen zerfallene Fassaden und eingeschlagene Fenster. Hänels erstem Domizil gegenüber schuf Marcel Guderjahn aus einer alten Fleischerei den Kulttreff „Kiez“, stellte dort u.a. Bilder des damals noch unbekannten Max Grimm aus. Beide ergänzten sich gut, machten die Gegend für Künstler interessant. Immer mehr zog es in die Gegend. Ausstellungen fanden statt, Konzerte, Theateraufführungen. Marianne Fritz eröffnete ihr Atelier M. im Engpass, die Galerie überFluss zog ein und andere. Das zog auch Immobilienfirmen an. Es wurde saniert, gebaut, vermietet. Kultur macht Wohnen attraktiv. Buckau ist zum gefragten Stadtteil geworden. Und hat mittlerweile viel an Kultur zu bieten. Auch wenn sich einiges geändert hat. Jürgen Hänel ist 2016 viel zu jung verstorben. Guderjahn hat den Kiez und das „Kiez“ verlassen. Mit ihnen verließen andere die Engpass-Szene. Die Kulturwerkstatt gibt es noch, in anderer Weise, aus dem „Kiez“ wird „Hoeferts Nachbarschaftsbar“. Der Engpass ist nicht mehr die Nummer 1. Die Klosterbergestraße gilt als kreativste der Stadt, mit Läden, Geschäften, Ateliers und Galerien. An jedem ersten Samstag im Monat gibt es hier „Work and Shop“ mit kreativen Angeboten.
Eine der ältesten Kultureinrichtungen im Stadtteil ist das Literaturhaus in der Thiemstraße. Zunächst 1961 als Gedenkstätte für Erich Weinert in seinem Geburtshaus eröffnet, kamen nach und nach Museum, Kinoraum und Lesebühne hinzu, 1993 wurde es Heimat für mehrere Vereine, wird seit 2005 vom Literaturhaus Magdeburg e.V. betrieben. Zu den Höhepunkten gehören zweifelsohne die Literaturwochen, bei denen mittlerweile nicht nur in Buckau, sondern stadtweit Veranstaltungen stattfinden. Gleich um die Ecke in der Karl-Schmidt-Straße wurde aus dem Buckauer Bad das Volksbad Buckau als Veranstaltungsort, seit 2006 betrieben von der Fraueninitiative Magdeburg e.V. (zuvor in der Porsestraße). Hier werden vor allem Künstlerinnen gefördert und ihnen eine Bühne gegeben. Am anderen Ende der Thiemstraße eröffnete 2006 das „Thiem 20“ als Kulturzentrum, es beheimatet die Jugendkunstschule und ist Außenstelle des Konservatoriums. Das Haus mit der Nr.13 ist ein kleiner, aber äußerst feiner Treff: „Thiembuktu“, ein Wohn- und Hausprojekt, mit Café und Garten, wo Musiker auftreten, Feiern stattfinden oder Fußball gespielt wird. Besonders sozial orientiert, u.a. mit Kaffeerunden auf Spendenbasis und Kleidertausch. Alternativ ist zudem das HOT Alte Bude „Zentrum für Kids, Jugend und Kultur“, die „etwas andere Kultur“. So fand hier gerade das ErnteFunkFest statt, als interkulturelles Stadtteilfest, mit Breakdance, Streetball, Workshops, Graffiti u.a. Die Szene trifft sich in der Sommersaison gern auch in der „Datsche“. Für alternative Konzertfans ist die factory seit Langem eine beliebte Adresse.
Wer von Kultur in Buckau spricht, spricht meist auch vom Puppentheater. Seit Jahrzehnten prägt es den Stadtteil, nicht nur durch eigene Aufführungen im Haus an der Warschauer Straße. Immer wieder gibt es Großveranstaltungen an urbanen Orten. 2009 machte das Ensemble den zum Teil heruntergewirtschafteten Stadtteil zur großen Bühne: Bei „la notte – Schöne Aussicht“ wurden Straßen und Plätze bespielt, aber auch verlassene Häuser und Fabrikhallen, Teile der Industriegelände einstiger Kombinate. Gebiete übrigens, die später saniert oder bebaut worden sind, u.a. entstanden exklusive Wohnungen in der Dorotheenstraße.
Tradition haben die Gruson-Gewächshäuser, nicht nur als bedeutende Pflanzensammlung. Durch den engagierten Förderverein finden wieder Konzerte, Märchenstunden, Basteltage, Hallooween und vieles mehr statt. Aus dem Pionierhaus wurde das Gesellschaftshaus, das sich vom relativ elitären Treff in den letzten Jahren zu einem offenen „Haus der Musik“ entwickelt hat. Neben klassischen Konzerten gibt es immer mehr junge und experimentelle Musik, für Familien werden während der „Erwachsenenkonzerte“ an dessen Themen orientierte Beschäftigungen für Kinder angeboten.
An die industrielle Vergangenheit erinnert das Technikmuseum in der Dodendorfer Straße: Als der Ausstellungssaal im Kulturhistorischen Museum zu eng wurde, stimmte die Stadt 1993 dem Aufbau eines Technikmuseums in der ehemaligen Produktionshalle 18 des Schwermaschinenbau-Kombinats „Ernst-Thälmann“ (SKET) zu. Eröffnet 1995 zeigt es heute an mehreren Stationen, wie Technik früher funktionierte. Mit Exponaten der Bereiche Industrie und Handwerk, Landwirtschaft, Verkehrstechnik sowie Drucktechnik. Kabarettfreunde erleben hier zudem alljährlich die Sommeraufführungen des Kabaretts der „Hengstmanns“. Ebenfalls in Buckau ist das Circusmuseum zu finden. Mit Exponaten auf drei Ebenen.
Die jüngste Ansiedlung ist das Werk IV, einem ehemaligen Industriegelände in der Brauereistraße. Beim zuvor genannten Buckauer Spektakel erstmals bespielt, folgte 2013 Bucktopia, ein Festival mit „Endzeit als Kunstprojekt“ – das sinnigerweise das Gelände weiterhin belebte. Bis heute. Graffiti- und andere Künstler haben dort ihr Domizil.
Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, detaillierter verfeinern. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal sich die Szene stets wandelt. Einige Kreative verlassen die Gegend, andere kommen hinzu. Kunst ist Bewegung, ist Veränderung. Nicht nur in Buckau, aber auch hier. Birgit Ahlert