Kein leichter Weg nach oben
Seit gut einem Jahrzehnt ist Magdeburg auch ein Zentrum des Profisports im Osten. Dafür stehen die SCM-Handballer, die SESBoxer und die FCM-Fußballer. Leicht fiel der Weg nach oben allen dreien nicht.
Neben einer breitgefächerten Palette an Vereinen, die sich nahezu ausschließlich dem Breiten- und Freizeitsport widmen, entwickelte sich Magdeburg im Lauf der letzten eineinhalb Jahrzehnte auch zu einem der Zentren des Profisports in Ostdeutschland. Neben der Kernsportart Handball, wo die Landeshauptstadt durch den SCM seit der Wende in der höchsten deutschen Profiklasse vertreten ist, stießen später die Boxer von SES (Sportevent Steinforth) und die Kicker des 1. FC Magdeburg hinzu. Während die Faustkämpfer im Jahr 2000 im Ring ihre Premiere bei den Profis gaben, stießen die Blau-Weißen nach einem Vierteljahrhundert im Amateurbereich erst mit dem Aufstieg in die dritte Liga 2015 in den bezahlten Fußball vor.
Handball
Der SC Magdeburg ist das einzige ostdeutsche Handball-Team, das seit der Wende ununterbrochen der ersten Bundesliga, die als stärkste Liga der Welt gilt, angehört. Zusammen mit den Eishockeyspielern der Berliner Eisbären gilt der SCM in den Mannschaftssportarten als der Leuchtturm des Ostens schlechthin. Am 27. April 2002 schrieb der SC Magdeburg Geschichte, als es ihm nach der deutschen Meisterschaft 2001 als erster deutscher Mannschaft überhaupt gelang, die Champions League zu gewinnen. Im Finalrückspiel bezwang man unter Coach Alfred Gislason Fotex Veszprem vor fast 8.000 Zuschauern in der aus allen Nähten platzenden Bördelandhalle mit 30:25 (15:10). 20.000 Fans feierten anschließend nach einem Autokorso durch die Stadt ihre Helden auf dem Alten Markt.
Der zweite internationale Pokalerfolg nach der Wende gelang dem SCM im Jahr 2007, als unter Trainer Bogdan Wenta der EHF-Pokal gewonnen wurde. Im Finale bezwangen die Magdeburger den spanischen Vertreter BM Aragon. Es war zugleich der neunte internationale Titel der Vereinsgeschichte. Vor der Wende hatten die Elbestädter den Europapokal der Landesmeister 1978 (gegen Slask Wroclaw) und 1981 (gegen Slovan Ljubljana) geholt. Die Vereins-EM gewann man 1981, 2001, 2002, den EHFPokal zusätzlich 1999 (CBM Valladolid) und 2001 (RK Metkovic). Die Erfolgsliste vervollständigen zwei deutsche Pokal-Triumphe (1996, 2016), zehn DDRMeistertitel und fünf Siege im DDR-Pokal.
In den Jahren zwischen 2007 und 2009 geriet der SCM in eine schwere finanzielle Krise, für die vor allem der frühere Manager Bernd-Uwe Hildebrandt verantwortlich gemacht wurde. Die Grün-Roten schrammten zweimal nur knapp an einer Insolvenz vorbei. Erst nachdem der heutige Geschäftsführer Marc Schmedt 2010 das Ruder beim Traditionsklub übernahm, ging es wieder bergauf. Stück für Stück wurden die finanziellen Altlasten abgebaut. Heute steht der Klub schuldenfrei da. Sportlich hatte die Mannschaft allerdings den Anschluss an die Spitzenteams verloren. Inzwischen haben die Schützlinge von Trainer Bennet Wiegert (seit Dezember 2015 im Amt) eine Aufholjagd begonnen, die sie die aktuelle Saison mit einem respektablen fünften (punktgleich mit dem Vierten, den Füchsen Berlin) Rang abschließen ließ. Hinzu kam Platz drei beim Final-Four-Turnier um den EHF-Cup. In der neuen Saison ist der SCM auf jeden Fall wieder international startberechtigt.
Boxen
Der zweimalige Gewinn der deutschen Mannschaftsmeisterschaft durch den 1. BC Magdeburg (1998/1999) war so etwas wie der Startschuss für das Profiboxen in Magdebueg nach der Wende. Ulf Steinforth, ehemaliger BCM-Präsident, gründete im März 2000 seinen eigenen Boxstall (SES). Nach einem ebenso mühsamen wie langen Marsch durch die Ebenen des Faustkampfs kletterte der kürzlich verstorbene Schwergewichtler René Monse 2002 in der damaligen Bördelandhalle zum ersten europäischen Titelkampf für SES durch die Seile; der Magdeburger unterlag dem Kosovaren Luan Krasniqi. Der heutige Cheftrainer Dirk Dzemski holte sich im selben Jahr den deutschen Meistergürtel, außerdem gewann er die Mittelgewichts-Krone des international eher unbedeutenden Verbandes NBA.
SES schrieb in den Folgejahren ungebrochen weiter an seiner Erfolgsgeschichte. Dafür stehen Namen wie Lucas Konecny und Jan Zaveck, aber vor allem die Russin Natascha Ragosina, die es mehrfach zu Weltmeisterehren brachte. Der weltweite Durchbruch gelang SES dann im Jahr 2009, als sich Robert Stieglitz in Budapest gegen den Magyaren Karoly Balczay den Weltmeister-Gürtel im Supermittelgewicht holte. Legendär später die vier WM-Gefechte von Stieglitz gegen den Berliner Arthur Abraham. Nachdem Stieglitz im Frühsommer seine Laufbahn beendete, ruhen die SES-Hoffnungen jetzt vor allem auf den dreifachen internationalen Titelträgern Dominic Bösel (Halbschwergewicht) und Junioren-Weltmeister Tom Schwarz (Schwergewicht).
Doch nicht nur die SES-Recken verbreiteten Magdeburgs Ruhm in der Sportwelt und rückten die Elbestadt international in den Fokus. Der in 34 Profifights ungeschlagene Karlsruher Super-Mittelgewichtler Sven Ottke verteidigte zwischen 1999 und 2004 seinen Weltmeistertitel gleich achtmal in der Bördelandhalle (Ottke: „Das ist mein Wohnzimmer“). Die ebenfalls aus Karlsruhe stammende beste deutsche Boxerin aller Zeiten, Regina Halmich, tat es ihm später nach.
Fußball
In den zurückliegenden zwei Jahren schrieb der 1. FC Magdeburg in der Landeshauptstadt am nachhaltigsten an seiner Geschichte und stellte selbst die ebenso traditionsreichen wie erfolgsgewohnten SCM-Handballer ein wenig in den Schat-ten. Mit der Qualifikation für die dritte Bundesliga brach rund um die Blau-Weißen eine regelrechte Hysterie aus, geriet eine ganze Region in den Sog des Aufstiegs.
Als die Mannen von Trainer Jens Härtel, den die meisten Anhänger zusammen mit Manager Mario Kallnik als Mastermind des Aufstiegs ansehen (Aufsichtsratschef Petermann: „Jens Härtel ist der beste Trainer, den der FCM in den zurückliegenden 25 Jahren hatte.“), die Saison mit einem Parforceritt begannen, sprengte das alle Ketten. Über 18.000 Zuschauer kamen im Schnitt im ersten Jahr zu den Heimspielen. Da konnte kein anderes der 20 Teams mithalten. Viele Beobachter bescheinigten dem FCM vom Umfeld her schon im ersten Jahr Zweitliga-Niveau. Die Mitgliederzahl sprengte die 4.000er-Marke.
Derart vielversprechende Zeiten hatte der FCM nicht immer gesehen. Noch im Jahr 2002 musste der Verein Insolvenz anmelden. Dem damaligen Regionalligisten, der sich auf einen Deal mit Sportvermarkter Sportwelt eingelassen hatte, fehlten Bürgschaften oder Sponsorengelder in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Der dreimalige DDR-Meister und siebenmalige DDR-Pokalsieger muss zwischenzeitlich sogar um einen Platz in der Oberliga fürchten. Der Verein benötigte mehr als ein Jahrzehnt, um aus diesem Teufelskreis wieder herauszukommen – nicht nur finanziell, sondern auch sportlich. Erst mit dem Aufstieg in die dritte Liga, dem heiß ersehnten Schritt in den Profifußball, wurde 2015 der gordische Knoten endgültig zerschlagen. Zweimal wurde der FCM Vierter, zweimal den Aufstieg in die zweite Liga nur knapp verpasst. Zwischenzeitlich drohte allerdings neues Ungemach, als im Spätherbst 2016 festgestellt wurde, dass rhythmisches Hüpfen der Fans in der heimischen MDCC-Arena dem erst 2006 eingeweihten Stadion baulich stark schadet. Es wurde ein Hüpfverbot erlassen. Die Stadt beschloss inzwischen, die Arena für sechs Millionen Euro aufwändig zu sanieren und umzubauen und bei dieser Gelegenheit 10.000 Stehplätze einzurichten. Die Kapazität steigt damit auf 30.000 Besucher. Rudi Bartlitz