Ist das Auto out?

Das Auto sei out, steht in der FAZ. Deutschland sei im Autorausch, schreibt Spiegel Online. Zum The-ma Mobilität scheint Deutschland generell gespalten zu sein, erneut. Die bösen SUVs sollen am besten komplett runter von den Straßen, Bahnfahren soll attraktiver werden – wie auch immer. Und sowieso ist das Fahrrad das optimale Fortbewegungsmittel, wenn es nicht in der Realität dafür zu wenig sichere Radwege und Stellplätze geben würde. Apropos Stellplätze: Wie oft haben Sie vor Ihrer Haustür schon ein Ticket bekommen? Für Parken in zweiter oder dritter Reihe und waren darüber verärgert?

Zurzeit sind Elektroroller, E-Autos und andere Fortbewegungsmittel in aller Munde. Dass sich zum Wohle des Klimas und folgender Generationen etwas tun muss, ist inzwischen den meisten klar. Aber wenn es dann darum geht, selbst etwas zu ändern, beginnt das große Zögern. Wir alle mit unseren individuellen Leben, unserem Alltag und den ganzen Wenns und Abers haben viele Gründe, uns gegen die bewährte Methode zur Fortbewegung, beispielsweise das Auto, zu entscheiden.

Warum zum Beispiel kein E-Auto? Vielleicht weil ich mit so einem Gefährt im besten Fall 200 Kilometer am Stück fahren kann – aber nur unter sehr günstigen Bedingungen. Ständiges Anfahren, im Stau stehen und Steigungen senken diese Kalkulation zu einem ungewissen Maß ab. Ist dem Auto der Saft ausgegangen, können Sie auf der Suche nach einer Ladestation Glück oder Pech haben. Aktuell gibt es in Deutschland um die 17.000 Ladestationen. Das sind tatsächlich mehr, als es Tankstellen gibt. Allerdings können Sie Ihr Elektroauto nicht mal eben volllaufen lassen und dann weiterfahren. Der Ladevorgang dauert zwischen einer knappen Stunde – bei Schnellladestationen. Ansonsten je nach Modell, Ladestation und anderen Einflüssen wie Temperatur, auf jeden Fall mehrere Stunden.

Je nach Ziel und zeitlicher Flexibilität könnte man vom Auto auf die Bahn umsteigen. Die DB hat kürzlich das neue Design ihrer ICEs vorgestellt. Die Streifen an den schnellen Zügen sind jetzt grün statt rot. Diese bahnbrechende Änderung soll für Ökostrom stehen, der seit 2018 für alle Fernverkehrszüge genutzt würde. Für den Verbraucher macht deshalb das Bahnfahren noch nicht attraktiver. Viele Menschen auf engem Raum, stundenlanges Warten an tristen Bahnsteigen und die Preisfrage verschrecken oft und sind eher Argumente, sich bequem ins Auto zu setzen. Wenn der Inlandsflug günstiger ist als das Bahnticket, verführt das schnell zum Buchen. Aber je nach Intention und Ziel der Reise wird am Ende jeder tun, was für ihn das Bequemste ist. Am besten an der einen Haustür einsteigen und an der anderen wieder rausstolpern.

Solange Zeitdruck das Vorankommen beherrscht, wird es auf Deutschlands Straßen unentspannt und aggressiv zugehen. Und solange Schienen uns nicht ähnlich flüssig von A nach B bringen können wie das Auto (oder Fahrrad auf Kurzstrecken), werden wir uns nicht ändern. Solange wird niemand zum Wohle der Allgemeinheit oder des Klimas oder seiner Enkel Opfer bringen. Bis Mobilität in Deutschland nicht mehr in erster Linie mit Statussymbolen und Autobahnen ohne Tempolimits in Verbindung gebracht wird, muss noch viel passieren. Abgesehen von der generellen Schwierigkeit, mit altbewährten Mustern zu brechen, ist es vielleicht falsch, nach Jahren des Einsatzes für die Autoindustrie den Finger gegenüber dem Verbraucher zu heben und zu verlangen, etwas zu ändern. Swantje Langwisch

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