Inszenierung einer Erinnerungslandschaft

Gedanken zum 315-jährigen Bestehen der Barockschlossanlage Hundisburg bei Haldensleben

Nur wenige Kilometer von Magdeburg entfernt befindet sich die einst prächtige Barockschlossanlage Hundisburg. Viele Besucher fragen sich, wie aus dieser frühmittelalterlichen Rundburg Hunoldesburg dieses heutige Gebilde von Bauwerken der Renaissance- und Barockzeit in den Jahren 1694 bis 1702 entstand.
Egal woher man sich Hundisburg nähert, schon aus der Ferne machen den Besucher die ganz auf großartige Wirkung bewußt inszenierten Ecktürme des Hauptgebäudes vom Schloss neugierig auf diese Gesamtanlage. Dies war schon bei der Planung im barocken Baustil vom niedersächsischen Landesbaumeister Hermann Korb (1656 bis 1735) gewollt. Der erste bekannte Besitzer der Rundburg Hunoldesburg war Markgraf Otto II. von Brandenburg. Er übergibt die Burg mit einem Durchmesser von etwa 150 Metern mit all seinen Erbgütern im Lehnsauftrag 1196 an das Erzstift Magdeburg. 1452 belehnte dann Erzbischof Friedrich von Magdeburg die Gebrüder von Alvensleben zu Kalbe in der Altmark mit dem Rittergut.
Schon bei der Auffahrt zur Rundburg staunt man  über die beeindruckenden Stützmauern. Die romanischen Ringmauern und gotischen Wohnbauten existieren heute nicht mehr im vollen Umfang. Nach Harksen, Engels und Goern ließ Ludolf X. von Alvensleben (1511 bis 1596) sie zum größten Teil abreißen, als er ab 1544 das Renaissanceschloss mit dem südlichen Bergfried mit Ausbau von 1568 errichtete. Erst 1654 kam es beim Turmumbau zur Krönung mit der welschen Haube. Er wird Tempelherrnturm genannt, weil man ihn aus den Trümmern der Templerburg Wichmannsdorf errichtete. Schon 1289 ist sie im Besitz dieser Ordensritter, doch bald verkaufte der letzte Ordensmeister Friedrich von Alvensleben die Burg an die Ritter von Dreileben, welche im 14. Jahrhundert die Burggebäude abbrachen. Aus dem Abrissmaterial wurde in Hundisburg der südliche Bergfried errichtet.  Noch heute erinnert an den 1596 verstorbenen Ludolf X. von Alvensleben ein beeindruckendes Epitaph als Grabdenkmal an der Südseite der 1266 errichteten Dorfkirche an ihn und seine Familie, was sich ursprünglich in der Schlosskapelle befand und vom Braunschweiger Bildhauer Georg Röttger gearbeitet wurde.

Von 1471 bis 1850 soll es auf Schloß Hundisburg eine Schlosskapelle gegeben haben. Sie befand sich im südlichen Seitenrisalit und wurde von Korb auf ovalem Grundriss ähnlich der später von ihm gebauten Blankenburger Schloßkapelle im Ostharz errichtet. An der Westseite über der Patronatsloge befand sich die Orgel und nach Osten die Altarwand mit vorspringender Kanzel und freistehender Mensa davor. In der Mitte der Taufstein. Die Holzarchitektur war marmoriert und vergoldet. Später in DDR-Zeiten als Pferdestall genutzt, fand sie jetzt ihre Bestimmung in der gastronomischen Nutzung. Aus der einstigen Kapelle gelangte man in die zweigeschossige und gewölbte Gruft, in der sich auch der Sarg von Johann Friedrich II. von Alvensleben befindet. Teile und Mauern des Renaissanceschlosses stecken noch heute in den Folgebauten der Barockschlossanlage. Bereits Ludolf XIV. von Alvensleben erweiterte die Anlage mit dem 1571 entstandenen Südflügel der Rundburg im Renaissancestil. Er war das Herrenhaus jener Zeit und auch das „Neue Werk“ genannt, welches sparsam mit Renaissancemotiven verziert wurde. Kaum noch lesen kann man heute die verwitterte Inschrift im Aufsatz des mittleren Rundbogenportales mit Muschelnischen: „HAS AEDES FORTIFICAT NOBILIS ET PRAECLARUS VIR LUDOLPHUS AB ALVenSCHLEVEN ANNO SALUTIS MDLXXI CUM IPSE IAM ANNUM SUAE AETATIS AGERET LX QUIBUS UT DEUS ADSIT IS CUM HEREDIBUS PRECATUR“.
Im Gebäude in Torhausnähe befindet sich noch heute eine steinerne Wendeltreppe. Einst rankten an der Außenfassade Reben von blauem Wein und malerisch Efeu, die sich nun heute völlig ohne Bewuchs zeigt. Auf diesem Wallbereich befand sich früher ein Weingarten. Die übrigen Hofbauten entstammen der Barockzeit und baukünstlerisch wenig bedeutsam. Sie wurden als Meierei, als Stellmacherei und als Hofschmiede mit grossem sehenswerten Blasebalg später genutzt.

Von 1452 bis 1811 blieb die Rundburg Hunoldesburg als einstige Hauptfeste des Erzstifts Magdeburg im Besitz der Adelsfamilie von Alvensleben. Nach dem Emdener Kantor Bock erwarb zunächst Ludolf X. von Busso von Wanzleben das Gut mit 30 Hufen Land und dem Zubehör an Rechten und Ansprüchen sowie den dazugehörigen Dörfern Hundisburg, Nordhusen, Ackendorf und Eichenbarleben. Ab 1693 besaß Johann Friedrich II. von Alvensleben (1657 bis 1728)  als Vertreter der schwarzen Linie das Rittergut mit dem Renaissanceschloss auf der Ostseite der Burg. Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts teilt sich das Adelsgeschlecht von Alvensleben in drei Linien, deren rote mit Friedrich von Alvensleben bereits 1553 erlosch. Der schwarzen Linie gehörte bis zur Enteignung 1945 auch das Schloß Erxleben II, wo jetzt Benefizkonzerte für die Orgelrekonstruktion in der dortigen Schlosskirche stattfinden. Mehr unter: www.schlosskirche-erxleben.de

Das Schloß Erxleben I als Renaissancebau von 1585 und heutiges Verwaltungsgebäude, gehörte einst der weißen Linie. Die schwarze Linie wurde nach Bock 1798 und die weiße Linie 1840 in den Grafenstand erhoben. Von den Familienmitgliedern von Alvensleben machten sich Joachim I. als eifriger Förderer der Reformation, Gebhard XXV. als Verfasser der Familiengeschichte und der umfassenden Beschreibung des Erzstiftes Magdeburg sowie Johann Friedrich II. als Geheimer Rat und ab 1719 Königlicher Großbritannischer Geheimer Staatsmininister in der Barockzeit einen verdienstvollen Namen.

Wie wurde er nun Bauherr dieses Barockschlosses in Hundisburg? Seit 1682 stand er in Diensten des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633 bis 1714). Zwei Tatsachen führten dazu, dass ab 1694 kurz nach der Besitzübernahme dieser Bau des Barockschlosses begann: Erstens die Unzufriedenheit mit dem 1694 fertiggestellten ersten Schlossbau von Anton Ulrich in Salzdahlum (1688 bis 1694) als Fachwerkbau. Und nicht zuletzt die Tatsache der erworbenen Verdienste für den Braunschweiger Herzog, welche ihn sogar zu einem geschätzten Freund des Adels machten.
Nach Udo von Alvensleben war er es auch, dem Anton Ulrich 1714 sterbend sein Haus dem Schutze des Königs in Preussen befahl. Der Herzog soll auch nach Wohlbrück mit dem Bauherrn den Entwurf zum Hundisburger Schloss zusammen geplant haben und förderte den Bau durch umfangreiche Schenkungen an Baumaterialien jeder Art „mit fürstlicher Freygiebigkeit“. Er selbst überwachte die Fortschritte bei den Bauarbeiten persönlich: „Hier gaben sich Fürst und Bauherr in dem Wunsch, ein ihnen vorschwebendes Ideal zu verwirklichen, einer schrankenlosen Baulust hin. Beide scheuten kein Opfer, um die großartig geplante Anlage vollendet zu sehen.“
Hundisburg bedeutet nach Udo von Alvensleben eine geniale Verbindung einer norddeutschen Burganlage mit einem venezianischen Palast, wie er in einzelnen Beispielen an den Ufern der Brenta und in der Terraferma noch fortlebt. Dieser kühne Versuch, zwei einander fremde Welten zu verschmelzen, ist vollkommen gelungen. „Die Gartenfront ist der Fassade von Salzdahlum verwandt, die hier vereinfacht und monumentalisiert erscheint, und diesmal nicht in Fachwerk, sondern massiv errichtet“. Der Architekt versuchte hier die Fehler von Salzdahlum zu vermeiden und über das Vorbild hinauszugehen.
Über den Eindruck, den die Schöpfung Hermann Korbs auf die Zeitgenossen machte, berichtet die Wohlbrücksche Chronik weiter: „Dieses prächtige Schloß, welches zu den Merkwürdigkeiten des Herzogtums Magdeburg gehört, gab in der ersten Zeit nach seiner Entstehung die Veranlassung, daß Hundisburg von einer Menge vornehmer Fremden besucht wurde. Selbst der König Friedrich I. in Preussen nahm dasselbe mit dem Kronprinzen in Augenschein. Die damals zu Weferlingen residierenden Markgrafen und Markgräfinnen von Brandenburg-Culmbach beehrten den Ort mehrmals mit ihrem Besuche, und besonders fand die Prinzessin Sophia Magdalena, nachherige Königin von Dänemark, den selben so angenehm, daß sie sich fast ein halbes Jahr hindurch daselbst aufhielt. Am öftesten aber wurde Hundisburg von dem Herzoge Anton Ulrich von Braunschweig besucht.“
Erst seit der Mitregentschaft ab 1685 gab sich der Herzog seiner nicht nur auf den Adel beschränkten Baulust hin. Bis dahin hatte er mit seiner Gemahlin Elisabeth Juliane von Schleswig-Holstein das „Kleine Schloss“ in Wolfenbüttel, in Braunschweig das „Mosthaus“, die seither wiederhergestellte Burg Dankwarderode, und ein bescheidenes Sommerhaus auf seinem Gute Salzdahlum bewohnt, während sein Bruder, Herzog Rudolf August (1627 bis 1704) jeweils im Wolfenbütteler Schloss oder auf dem „Grauen Hofe“ zu Braunschweig residierte. Überall im Lande wünschte er, Schlossbauten erstehen zu sehen, die seinen Begriffen von Pracht und Würde entsprachen und die ihm gleichzeitig die Gelegenheit gaben, eigene Entwürfe und Anregungen zur Ausführung zu bringen. Solche Fälle sind die Schloßbauten von Hundisburg (1694 bis 1702), Brüggen (1693) sowie Sambleben (1701).
Die Baugeschichte von Hundisburg beweist, welche Opfer Anton Ulrich seiner Bauleidenschaft zu bringen fähig war, und mit welcher Intensität er persönlich jahrelang die Vollendung überwachte. Volkswirtschaftlich schloß sich der Herzog Colberts Ideen an und achtete darauf, dass die Ausgaben das tragbare Maß nicht überschritten. Zu seinem Tode auf dem Schloss Salzdahlum am 27. März 1714 waren zwar die Hauptarbeiten am Barockschloss Hundisburg vollendet, doch zogen sich die Ausführungsarbeiten an den Gartenanlagen bis 1719 hin. Mehr zum Schloß unter:  www.schloss-hundisburg.de
 
Am 21. September 1728 starb im Alter von 71 Jahren Johann Friedrich II. von Alvensleben in Hannover. Obwohl schon ab 1750 entsprechend dem Zeitgeist des englischen Landschaftsstils unter Gebhard August II. von Alvensleben (1719 - 1779) zunehmend gestalterische Veränderungen im Barockgarten sowie auf dem elterlichen Besitz der Schlossanlage Neugattersleben gab, soll es nach Udo von Alvensleben noch bis 1780 Aufführungen von Tanz, Oper und Komödie im Hundisburger Naturtheater als fast identische Nachbildung des älteren in Hannover-Herrenhausen gegeben haben. Nach Udo von Alvensleben wurde das Theater auf den landschaftlichen Hintergrund hin inszeniert, den die Zuschauer von halbkreisförmigen Rasenbänken überblickten.
Auf den unter Nathusius künstlich aufgeschütteten sogenannten „Schneckenberg“, der auf dem Standort des einstigen Naturtheaters entstand, geht Udo von Alvensleben in seiner Publikation von 1937 ein: „Vorzüglich sehenswert ist in diesem Garten ein künstlicher Berg an der Stelle eines sonstigen Theaters von Heckenwerk, auf welchem man eine schöne Aussicht über das Kloster Althaldensleben weg nach der großen königlichen Heide hat, welche den Gesichtskreis malerisch schön schließt.“
Erhalten geblieben ist bis heute das so genannte „Pariser Tor“ als östlicher Gartenabschluss des Neobarockgartens. Es steht nun wieder an seinem ursprünglichen Standort und war zweifelsfrei das prachtvollste erhaltene Ausstattungselement des einstigen Barockgartens. Es soll aus dem 18. Jahrhundert stammen. Bis zur Enteignung der Familie von Nathusius 1945 und dem verheerenden Schlossbrand am 28. November im gleichen Jahr gab es ein baulich intaktes Schloß in Hundisburg. Dieses veränderte allerdings schon  Anfang des 19. Jahrhunderts nach dem Besitzerwechsel am 13. November 1811 sein Aussehen. Bei einem Feuer brannten der Mittelbau und der Nordflügel mit dem als Bibliothek genutzten Nordturm aus. Nach Harksen war der Boden des Mittelbaues der Brandherd. Zum Zeitpunkt des Schlossbrandes lagerte russisches Militär im Schloss, die angeblich nach Zeugenaussagen das Löschen untersagten. Südturm und Südflügel blieben erhalten. Der Hofgiebel über dem Mittelrisalit wurde 1950 wegen Einsturzgefahr abgerissen. An der Gartenfront blieb auch das monumentale Allianzwappen in der Mitte des Giebelfeldes erhalten, in dem Genien es halten und das Wappen des Erbauers und seiner Gemahlin Adelheid Agnes von der Schulenburg zeigen.

Die alte Bibliothek mit 3.500 Bänden – meist aus dem 16. Jahrhundert – und die neue Bibliothek waren nicht in diesem Turm. Das Turmgewölbe enthielt seit 1709 die Lehnsbibliothek der Familie von Alvensleben. Die Schriften wurden ebenso wie viele Gemälde 1811 beim Besitzerwechsel an die Familie Nathusius bei der öffentlichen Versteigerung am 13. November vor dem Westfälischen Civil-Tribunal in Neuhaldensleben in die beiden auch im Familienbesitz befindlichen Schlösser von Erxleben überführt. Seit 2010 ist nun wieder der Restbestand dieser Bibliothek im Schloss Hundisburg untergebracht.
Von der Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wende 1989 war die Rundburg Sitz eines Volkseigenen Gutes (VEG). Im nicht ausgebrannten südlichen Schloßteil war bis zur baupolizeilichen Sperrung eine Betriebsberufsschule des VEG untergebracht. Um 1960 gab es erste Bemühungen zur Sicherung der zunehmend verfallenen Schlossanlage durch die Dombauhütte Magdeburg. Später wurde auch eine Nutzungsstudie für ein Motel durch die TU Dresden angefertigt, der allerdings die politische Führung ablehnend gegenüberstand.
Nach der gesellschaftlichen Wende erfolgte laut der Jubiläumsschrift zum 875-jährigen Ortsjubiläum  im Jahre 1991 eine Notsicherung mit anschließender Sanierung des Südturmdaches sowie der Westfront des südlichen Bergfrieds. Von der Treuhand hatte die Stadtverwaltung Haldensleben 1994 symbolisch für eine deutsche Mark die Schlossanlage übernommen, was mit der Eingemeindung von Hundisburg zu Haldensleben einherging.

Zunächst versuchte man, über ABM die Arbeiten zu erledigen und 1995 kam es zur Gründung des städtischen Vereins KULTUR-Landschaft Haldensleben-Hundisburg, der aus dem Arbeitskreis Schloss hervorgeht. In den Folgejahren bis heute bemüht man sich mit EU-Förderung um den Erhalt der Gesamtanlage. Jedoch fehlt es an einem die Gesamtanlage tragenden Nutzungskonzept, was den städtischen Haushalt von Haldensleben spürbar entlastet. Seit 1993 findet jährlich zur Sommerzeit die SommerMusikAkademie statt,  welches aber ohne großzügiges Sponsoring nicht möglich wäre.
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden auslaufenden EU-Förderung sollte man nun ernsthaft Überlegungen anstellen, ob es nicht Sinn macht, eine Treuhandstiftung zur DSD für ganz Hundisburg als noch zu erklärendes Flächendenkmal ins Leben zu rufen. So könnte man kontinuierlich auch Geldzuwendungen privater Stifter für den Erhalt der Barockschlossanlage langfristig sichern. In und um Hundisburg gibt es immerhin mehr als acht bedeutsame und touristisch interessante Nutzungs-Denkmäler aus einer mehr als tausendährigen Kulturgeschichte. Volker A. Wittich

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