Genossenschaften können mehr

Der MWG-Bauabschnitt im neuen Domviertel mit Breitem Weg/ Ecke Haeckelstraße. (Werbung)

Die MWG verfolgt mit einer Reihe von Bauprojekten ehrgeizige Ziele. Vorstandssprecher Thomas Fischbeck erklärt, warum die Gelegenheit nie so günstig war wie heute und was das mit Genossenschaften zu tun hat.

Herr Fischbeck, die MWG gibt in der Innenstadt mit ihren Bauvorhaben ganz schön Gas. Woher rührt dieser Schwung?
Thomas Fischbeck: Weil wir uns ein solides Fundament erarbeitet haben. Bereits mit Beginn des Stadtumbaus Ende der 1990er Jahre haben wir zunächst die Bestände in den sogenannten Neubausiedlungen umfassend saniert. Dies tun wir im Übrigen auch heute noch, denn wir finden, dass wir dies den Mitgliedern, die uns Jahrzehnte die Treue halten, schuldig sind. Neben den Sanierungen in „Dach und Fach“ haben wir durch den quartiersbezogenen Neubau nach Rückbaumaßnahmen in fast jedem Stadtteil Zeichen gesetzt, dass wir uns nicht zurückziehen, sondern bleiben. Wer durch die Waage- oder Seelenbinder-Straße in Neu-Reform, durch die Crucigerstraße im Neustädter Feld oder die J.-R.-Becher-Straße im Kannenstieg fährt, kann das erleben. Also wie gesagt: Wir hatten eine solide Basis, zu der natürlich entscheidend auch unsere 13.000 Mitglieder und die wirtschaftliche Kraft der Genossenschaft gehören.

In d. Werner-Seelenbinder-Str. wurde 2009 ein Grundstück bis 2012 durch 3 Wohngebäude m. je 20 Wohnungen neu bebaut. Die Werner-Seelenbinder-Str. 30 ging 2011 als 1. Neubau eines Mehrfamilienhauses in Neu-Reform nach 1990 in die Stadtteilhistorie ein.

Aber das ging nur, wenn man sich auch von Altem trennt …
Im Rückblick betrachtet hat uns der Abriss tatsächlich auch geholfen. Nicht nur architektonisch und bei der größeren Vielfalt von Wohnungsangeboten, sondern auch beim Sammeln von Erfahrungen und Fähigkeiten im Um- und Neubau. Das hilft uns, heute selbstbewusst größere Projekte anzugehen. Wichtig ist mir aber auch, dass wir nach Rückbauprojekten nirgendwo einen Schandfleck zurückgelassen, sondern nahezu überall Neues geschaffen haben. In Zahlen: Wir haben 1.000 Wohnungen abgerissen, aber seit der Jahrtausendwende eben auch 500 neu gebaut. Und das, obwohl alle Prognosen gegen eine positive Einwohnerentwicklung sprachen. Weil wir Vertrauen in unsere Stadt hatten.

Das allein macht sicher noch nicht den genossenschaftlichen Gedanken aus.
Damit haben Sie wohl Recht. Gemeinschaft, Mut und Durchsetzungsvermögen gehören zur DNA von Genossenschaften. Miteinander füreinander – das ist, so glaube ich, ein echtes Magdeburger Phänomen, was übrigens gerade der FCM als Verein mit den Fans und der Mannschaft so eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

Nach einem Komplettumbau duch die MWG ist der Block nicht mehr wiederzuerkennen.

An Aufstieg der MWG denken Sie sicher auch, wenn man auf die ehrgeizigen innerstädtischen Bauprojekte blickt?
Wie gesagt, wir haben durch die Bauprojekte in den Stadtteilen die notwendigen Erfahrungen sammeln können. Das ist die Grundlage für die Großprojekte mit Domviertel, Luisencarré und die Idee für eine Bebauung am Kleinen Stadtmarsch. In der Tat sind die Bedingungen wegen der niedrigen Zinsen derzeit sehr günstig. Meine Großmutter sagte immer: Wenn es süßen Brei regnet, dann muss man die Löffel raushalten.

Es gibt Stimmen in der Stadt, die kritisieren, dass zu viel in exklusive und teurere Wohnungen investiert würde, anstatt in günstige.
Wir haben seit 1990 rund 500 Millionen Euro in unseren Bestand und die Neubauten investiert. Davon gingen über 300 Millionen Euro in die Modernisierung und Instandsetzung. Für Bestandspflege und Reparaturen unserer Wohnungen setzen wir den größten Teil unserer Mittel ein. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. 37 Prozent unserer Wohnungen liegen beim Mietpreis unter 5 Euro pro Quadratmeter, weitere 38 Prozent zwischen 5,00 und 5,50 Euro. Und noch mal: Wir sind eine Genossenschaft und damit ausschließlich unseren Mitgliedern verpflichtet. Keinen Fonds und keine Aktionäre. Jedes rentable Investment nutzt unseren Mitgliedern und damit wiederum Magdeburg. Alles, was wir erwirtschaften, geht in den lokalen Kreislauf zurück. Darüber hinaus wissen wir auch um unsere soziale Verantwortung. Als MWG sind wir bei den großen und den kleinen Sportvereinen, in der Kultur und in sozialen Projekten engagiert. Das gilt an vielen Stellen auch für die MWG-Stiftung und den MWG-Nachbarschaftsverein.

Thomas Fischbeck, Sprecher des Vorstands der MWG.

Neben dem Kerngeschäft der Vermietung und Wohnraumentwicklung tummelt sich die MWG in manch anderem Bereich. So gründeten Sie 2009 eine Spareinrichtung.
Richtig, aber neben der Spareinrichtung gibt es mittlerweile die MWG Energie GmbH, die MWG Media GmbH, die MWG Service GmbH und die MWG Parkraum GmbH. Wir tun das zum Vorteil unserer Mitglieder. Mit der MWG Energie GmbH können wir für Versorgungssicherheit und eine gewisse Preisstabilität sorgen. Auch bei den Nebenkosten denken wir im Sinne unserer Mitglieder. Über die MWG Media GmbH bieten wir kostenloses Internet für unsere Mitglieder an. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Und über unsere Serviceunternehmen sind wir unabhängig bei der Betreuung unserer Objekte, haben eigene Hausmeister und Handwerker als wichtige Betreuungs- und Mittlerfunktion zwischen Genossenschaft und Mitglied.

Apropos Betreuung: Der Altersdurchschnitt steigt sicher auch bei der MWG. Wie sind Sie in Sachen Barrierefreiheit und Pflegebedürftigkeit aufgestellt?
Den demografischen Wandel spüren wir wie alle anderen. Barrierearm sind alle unsere Neubauwohnungen; auch in den Altbeständen haben wir sehr viele Aufzugsanlagen nachgerüstet und ebenerdige Hauszugänge geschaffen. Das Thema Pflege wird für uns in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen. Wir werden zwar keinen eigenen Pflegedienst betreiben, aber wir können uns gut vorstellen, mit guten und kompetenten Partnern, die es in Magdeburg gibt, zusammenzuarbeiten. Betreutes Wohnen haben wir ja bereits in drei Objekten (Phönix, Ikarus, Pegasus), warum nicht bald auch ein Pflegewohnen. Wir wissen, wie wichtig eine gute Nachbarschaft gerade im Alter ist. Deshalb haben wir 2010 den MWG-Nachbarschaftsverein gegründet, in dem sich heute 50 Ehrenamtliche für ihre Nachbarn engagieren. Das Netz unserer Nachbarschaftstreffs in Nord, Mitte, Stadtfeld und Süd wollen wir pflegen und ausbauen, denn die Nachfrage nach Geselligkeit in der Nachbarschaft ist groß.

Das geplante Luisencarré mit Luisenturm an der Ecke Erzbergerstraße/ Virchowstraße. Wenn alles reibungslos läuft, gibt es vor Jahresablauf den Spatenstich.

Die MWG geht offenbar in der Tat weit über klassische Vermietung hinaus.
Mein Leitmotto lautet: Genossenschaften können mehr. Wir brauchen keine gigantischen Dividenden, wir geben unsere Gewinne den Mitgliedern zurück. Deshalb können wir eben nicht nur Wohnen bieten, sondern auch Gemeinsamkeit, Ausflüge, Nachbarschaftstreffs, Veranstaltungen, Radtouren und und und. Wissen Sie: Wir bilden seit Jahrzehnten junge Menschen aus, von denen heute einige Leiter einer Geschäftsstelle sind. Auch das zeigt, welche Perspektiven man bei bei uns haben kann. Und noch eins, das mir sehr wichtig ist: Es sind unsere Mitarbeiter, die unsere Ideen umsetzen und leben. Mittlerweile sind wir auch als verlässlicher Partner für Magdeburger Baufirmen bekannt. Übrigens bauen wir ausschließlich mit unseren Firmen – auch das ist die Magdeburger DNA. Und zu guter Letzt: Die MWG errichtet mit dem Luisenturm an der Erzbergerstraße dass erste Hochhaus seit 1990 in Magdeburg. Bei aller Bodenständigkeit dürfen wir auch im wörtlichen Sinn für Magdeburg einmal hoch hinaus. Darauf freuen wir uns.

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