Geboren zum Ver(w)irren

Aufgewachsen mit dem Rat „tue Gutes und Gutes wird dir begegnen“ lernt man spätestens in der Schulzeit, dass dies ein großer Irrglaube ist. Wer sich klein macht, sich angepasst gibt, ständig gutmütig ist, dem wird schnell auffallen, dass dies gerne ausgenutzt wird. Doch was soll man machen? Familiär als Gutmensch programmiert, mit dem Erfahrungsschatz selbstlos einzustecken, sich zu ducken, ganz brav und leise zu sein, wandelt man also durch die Welt. Meist reichen schon ein paar kleine Schritte, um dem nächsten Irrtum auf den Leim zu gehen. Egal, ob in der Schulzeit, in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Arbeitsleben oder Alltag – der Anschiss wartet überall.

Sprichwörtlich soll ja auf jeden Topf ein Deckel passen – dazu muss man allerdings erst einmal wissen, was man selbst für ein Topf ist. Man probiert den einen oder anderen Verschluss auf Passigkeit und landet schließlich in der Pfanne. Ge- treu dem Motto „Gegensätze ziehen sich an“, schmeißt man sich ins Liebesglück. Nachdem die rosarote Brille langsam trübe wurde, entdeckt man manchmal noch rechtzeitig sein Irren. Also wieder suchen, um jemanden zu finden, mit dem alles besser funktioniert.

Zweiter Versuch. Doch gleich und gleich gesellt sich nicht immer gern. Möglich, dass ein Traum erneut platzt oder man sich den Irrtum bei der Partnerwahl nicht eingestehen will. Stattdessen  versucht man, den Partner auf den Kopf zu stellen, damit er sich ins eigene Weltbild einfügt. Ja, ja,  Menschen können sich ändern – von wegen, noch so ein Irrtum. Die einen sagen, Menschen können sich nicht ändern, sie passen sich nur an oder tragen eine Maske. Ist man, was man ist? Dass jeder anders ist, wissen wir. Also werden wir wohl oder übel mit Gegensätzen leben müssen. Wer weiß?

Schauen wir uns mal das Märchen Frau Holle an – da wird das fleißige Kind mit viel Gold belohnt und das faule mit Pech übergossen. Wer fleißig ist, wird also stets belohnt? In der Arbeitswirklichkeit gibt es solche und solche Vorgesetzte und selten weiß man, ob das eigene Tun angemessen wertgeschätzt wird. Wer die Arbeit schafft, gilt schnell als nicht ausgelastet. Die Anforderungen ziehen, Chefs schieben. Am Ende hat das fleißige Bienchen Burn-out. Die Diagnose hält man für eine Modeerscheinung.

Ein Arzt soll helfen. Aber nicht jeder Mediziner begegnet einem Hilfesuchenden mit der nötigen Empathie. Heutzutage müsste man fast selbst Medizin studiert haben, um vom feinen Herrn Doktor nicht nur mit einem Erholungstipp wieder weggeschickt zu werden. Schnell stempelt die Umgebung Betroffene als Psycho-Querulanten ab. Also gilt: sich selbst am Schopfe greifen und aus dem Sumpf ziehen. Neben Psychologen sind hier  Freunde und Familie als Rückhalt gefragt. Doch was, wenn dieser Rückhalt nicht greift und man letztlich tiefer in den Abgrund fällt. Freunde und Familie meinen vielleicht, weniger zu arbeiten hilft und heilt. Irrtum! Sie unterstützen eher, indem man sich gegenseitig im Alltag mitnimmt. Häufig ist ein Auslöser für den Teufelskreis, dass man nicht  „nein“ sagen kann oder will, um andere nicht zu enttäuschen. Genau das kann die Wurzel des Übels sein.

Den Vorgaben, die einem schon als Kind eingebläut wurden, zu entsprechen, sich anzupassen obwohl man ausbrechen möchte, still zu sein obwohl man schreien will, ist eine Last und kann nicht ohne Weiteres abgeschüttelt werden. Wenn man es jedoch schafft, bei diesen ganzen Verirrungen und Verwirrungen nicht meschugge zu werden, blickt man am besten auf die bisher erkannten Irrtümer und sieht sie in einem positiven Licht. Denn, wenn man auf das Leben zurückschaut, geht man meist gestärkt und mit mindestens einer Erfahrung mehr daraus hervor. „Gelegentlich führt uns erst ein Fehler auf den richtigen Weg“, sagte einst Konrad Adenauer. Und so ist es. Erst wer stolpert, achtet auf den Weg. Jeder muss also selbst das Beste aus seinem Leben, Verirrungen und falschen Entscheidungen machen. Der Irrtum hat seine durchaus positive Funktion. Nur in ihm verweilen darf man eben nicht. Trotz der Enttäuschungen sollte man den Rat, Gutes zu tun, dennoch nicht aufgeben. Nicht jede Situation endet in einem Irrtum. In diesem Sinne wünsche ich auf dem Pfad der Wahrheit, Weisheit und Erfahrung viele Irrtümer. Nicole Schulz

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