Dunkelziffer: 91 Prozent
Während in vielen Bereichen die Kriminalität sinkt, steigt sie im Internet an. Zuletzt hatte ein 20-Jähriger aus Hessen Daten von Politikern, Prominenten und Journalisten via Twitter veröffentlicht – darunter Privatadressen, Telefonnummern und Briefe. Allein in Sachsen-Anhalt waren mehr als 2.700 Personen betroffen. Nur ein Beispiel von vielen, wie Hacker unbemerkt in Systeme von Institutionen oder Firmen eindringen und Daten herausziehen oder durch Attacken auf Computer Unternehmen lahmlegen.
Computerkriminalität ist ein facettenreiches Feld. Darunter ist jedes Verbrechen zu verstehen, das mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnik begangen wird. Egal, ob der Computer bzw. die elektronische Datenverarbeitungsanlage Mittel oder Ziel der Tat ist. Unterschieden wird zwischen Computerkriminalität im engeren und im weiteren Sinne. Ersteres fasst Straftaten zusammen, bei denen der Computer die Handlung überhaupt ermöglicht oder diese als grundlegender Katalysator prägt – wie etwa Betrug mit Zugangsberechtigungen zu Kommunikations-diensten (Identitätsdiebstahl), Computersabotage, Fälschung von Daten oder das Ausspähen von Daten. Als Computerkriminalität im weiteren Sinne werden konventionelle Straftaten bezeichnet, bei denen der Computer zur effizienteren Realisierung verwendet wird. Dazu zählen Deliktsfelder wie Wirtschaftskriminalität, organisiertes Verbrechen, Drogenkriminalität.
Bereits in den 1980er Jahren sind Tatbestände der Computerkriminalität ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden: Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Datenveränderung (§ 303a StGB) und Computersabotage (§ 303b StGB). Aufgrund der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationsmedien muss immer wieder nachjustiert werden. Das Eindringen in Computersysteme – oder Hacking – ist beispielsweise als „Ausspähen von Daten“ strafbar. Bei der Einführung des Paragrafen 202a StGB 1986 war Hacking an sich noch nicht unter Strafe gestellt, solange sich der Täter keine Daten unbefugt verschaffte. Der Einbruch ins System selbst war straffrei. 2007 wurde das Gesetz geändert und seitdem genügt es, sich Zugang zum System zu verschaffen, um sich strafbar zu machen.
Als Wirtschaftsstandort sei Deutschland ein bevorzugtes Ziel von Hackern und Computerbetrug und die Qualität der Angriffe nehme stetig zu, heißt es von Seiten des Bundeskriminalamtes (BKA). Bundesweit wurden im Jahr 2017 etwa 108.500 Fälle von Computerkriminalität erfasst – 0,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Den größten Anteil an der Statistik hat der Bereich Computerbetrug, bei dem die „Tatwaffe“ das Internet ist, mit etwa 86.300 Straftaten. Das BKA vermeldete hier einen Anstieg von 2,8 Prozent im Vergleich zu 2016. Die dadurch entstandenen Schäden werden mit 71,4 Millionen Euro beziffert. 2016 waren es noch 50,9 Millionen Euro. Die Aufklärungsquote lag in Sachen Computerkriminalität 2017 bei circa 39 Prozent. Das BKA geht jedoch davon aus, dass lediglich neun Prozent der Straftaten überhaupt zur Anzeige gebracht werden, die Dunkelziffer liegt damit bei 91 Prozent.
Dass in vielen Bereichen die Zahlen rückläufig sind, im Bereich der Computerkriminalität jedoch steigen, spiegelt auch die Statistik für Sachsen-Anhalt wider. 2017 wurden 186.550 Fälle in der Polizeilichen Kriminalstatistik registriert. Das sind 9.914 Fälle – damit fünf Prozent – weniger als im Vorjahr. Für den Bereich Computerkriminalität werden 2.926 (2017) Straftaten angegeben, 20 Fälle (0,7 Prozent) mehr als 2016. Die Computerkriminalität hat in Sachsen-Anhalt damit einen Anteil von 1,6 Prozent am gesamten Straftatbestand. 2017 konnten 951 Tatverdächtige für den Bereich Computerkriminalität ermittelt werden – davon waren 624 männlich und 327 weiblich. 26 der 951 Tatverdächtigen waren zwischen 12 und 18 Jahre alt, 175 zwischen 18 und 25. Von den für 2017 erfassten 2.926 computerkriminalistischen Straftaten konnten 1.182 aufgeklärt werden. Im Jahr zuvor waren es noch 1.441 von 2.906 Fällen – 259 Fälle weniger und ein Minus von 18 Prozent. Die Aufklärungsquote in Sachsen-Anhalt lag damit 2017 bei 40,4 Prozent, 2016 bei 49,6 Prozent.
In Betracht der geringen Aufklärungsquote und der hohen Dunkelziffer wirken die Zahlen besorgniserregend. Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann forderte nach dem jüngsten Hackerangriff in der FAZ (25. Januar 2019) eine digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht. „Während in den Bundesländern mit großem Personal- und Finanzaufwand Spezialeinheiten in Justiz und Polizei zur Bekämpfung von Internetkriminalität aufgebaut wurden, scheint das Bundesjustizministerium die Digitalisierung nach wie vor für ein vorübergehendes Phänomen zu halten. Das wäre eine fatale Fehleinschätzung“, schrieb Kühne-Hörmann. Tina Heinz