Die helfenden Hände

Ehrenamtliches Engagement ist ein wichtiger Kitt für die Gesellschaft. Manche Einrichtung, viele Angebote, zahlreiche Initiativen wären ohne Menschen, die mit Leidenschaft und Erfahrung für andere da sind, nicht denkbar. Oft genug unterschätzen wir den Anteil ehrenamtlicher Tätigkeiten für den Zusammenhalt, weil Aufgaben oft ohne Getöse und im Hintergrund geleistet werden.

Wer einen Blick in die Veranstaltungskalender der Region wirft und sich darüber beschwert, dass es zu wenige passende Angebote gibt, vergisst, dass es einen großen Teil kleiner Events nur gibt, weil sich vielerorts Menschen dafür einsetzen, dass es diese Termine überhaupt gibt. Im Bereich Kultur werden helfende Hände noch am ehesten gesehen. Auch weiß man, dass bei zahlreichen sozialen Projekten Vereine auf Ehrenamtliche angewiesen sind. Es existiert kaum ein Sektor, der ohne Freiwilligkeit und unentgeltliche Tätigkeiten auskommt.

Man denke an die zahlreichen Sportvereine in Stadt und Land, ohne die es keine Nachwuchsarbeit und keine aktive Freizeitgestaltung für Erwachsene gäbe. Im ländlichen Raum wäre das Gemeindeleben tot, existierten keine Freiwilligen Feuerwehren oder mancher Heimatverein. In kleinen Ortschaften mangelt es heute schon an Kinder-, Sport oder Seniorenangeboten. Durch Politiker werden ehrenamtliche Initiativen häufig zurecht gewürdigt. In Magdeburg wird beispielsweise seit 2012 jährlich der Adelheid-Preis verliehen. Sabine Magnucki erhält für ihr Engagement als Inhaberin, Koordinatorin und Helferin der Familien-Feuerwehr am 22. Februar den diesjährigen Preis. Als Mutter von fünf Kindern und als dreifache Großmutter setzt sie sich seit vielen Jahren für die Belange von Kindern ein.

Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, wird an jeder Ecke jemanden finden, der ohne finanziellen Gegenwert ganz uneigennützig tätig ist. Vor allem ältere Menschen, häufig Senioren, aber auch viele Eltern organisieren mit ihren Initiativen Zusammenhalt oder bieten Unterstützungsleistungen an. In einer Gesellschaft, die vorrangig durch Erfolgsvorbilder gepägt ist, erscheinen solche Lebensleisten vielleicht weniger selbstverständlich. Wollte man die guten Taten von heute auf morgen abschaffen, würde das Leben in vieler Hinsicht zum Erliegen kommen. Frauen und Männer, die neben ihrer Arbeit in der Freizeit organisieren, anleiten, die nötige Verwaltungs- oder finanzielle Arbeit meistern, müssten im Ansehen eigentlich höher geschätzt werden als manche Stars, die kaum über ihre Profession hinaus sichtbar werden.

Auf Politiker wird häufig verbal eingedroschen. Doch bedenke man, dass in der Kommunalpolitik – also im unmittelbaren Lebensumfeld – alle wichtigen Entscheidungen durch ehrenamtliche Menschen von Parteien oder Bürgerinitiativen geleistet werden. Wer oft und schnell mit Kritik aufwartet, sollte zeigen, in welchem ehrenamtlichen Bereich derjenige selbst aktiv ist. Wir haben dieser Zeitung den Titel „Die unsichtbare Gesellschaft“ gegeben. Das mag zugespitzt klingen. Doch der Titel meint, dass uns die meisten Wirkungen Ehrenamtlicher gar nicht bewusst werden. Oft erst, wenn jemand ein Missgeschick erleidet und selbst auf Hilfe angewiesen ist, werden Selbsthilfegruppen, Sozialvereine und manch andere „magische“ Hand sichtbar.

Die Moderne hat Familien verkleinert und manchen nahen Halt, der vielleicht für Groß- und Urgroßeltern noch selbstverständlich war, ausgemerzt. Umso bedeutsamer ist heute das Wirken in ehrenamtlichen Tätigkeiten. Beklagt wird, dass Ehrenämtern deshalb zu wenig Anerkennung zuteil wird, weil es eben keine Vergütung gibt. Die Klage mag berechtigt erscheinen. Doch sollte man anderenfalls bedenken, dass ein Gegenwert durch Geld alle freiwilligen Leistungen unter dieselben Finanzmechanismen stellen würde, wie das bereits für Lohnarbeit der Fall ist. Fraglich ist, ob dabei nicht etwas in Gang gesetzt würde, das Ehrenämter wegen der Bezahlung untereinander in Konkurrenz setzte.

Ehrenamtliches Engagement ist unter der demografischen Entwicklung, die in den nächsten Jahren den Anteil der Älteren vermehren wird, vielleicht sogar eine Chance. Wenn Senioren einen großen Teil der Gesellschaft ausmachen, dürften ihnen sinnstiftende Tätigkeiten manche Anerkennung und manche Gemeinschaft schenken. Einsamkeit als besonders schwerwiegendes Phänomen im Alter könnte vielfach unterlaufen werden, weil Menschen freiwillig füreinander da sind. Dafür braucht es noch nicht einmal einen Verein. Aber weil es davon zahlreiche gibt, sollten wir deren Existenz als Reichtum ansehen. Eine lebenswerte Stadt, ein lebendiges Dorf ist das Ergebnis von engagierten Köpfen und fleißigen Händen. Das sollte bitte niemandem verborgen bleiben. (tw)

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