Die Diffamierung der bildenden Kunst
Herr Pötzsch, wo findet man in Magdeburg Bilder, die während der DDR-Ära entstanden?
Rudolf Pötzsch: Ehrlich gesagt, ich weiß es auch nicht. Bilder von DDR-Malern sind vielfach aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. 1989 habe ich einen Thomas Münzer im Auftrag des Kulturbundes für das Renaissanceschloss in Großmühlingen gemalt. Als der Haus den Besitzer wechselte, rettete der dortige Kirchbauverein das Bild und hängte es in die Kirche. Einen Münzer unterm Kirchendach – das fand ich schon mutig. Irgendwann löste sich der Verein auf und der Pfarrer wechselte. Damit verschwand auch das Bild.
Was denkt man als zeitgenössischer Maler über die abwesende Kunst aus eigener Schaffenszeit?
Es ist furchtbar. Im Prinzip ergeht es mir genauso wie jedem einstigen DDR-Bürger, dessen Lebensleistung nicht anerkannt bzw. gar entwertet ist. Aus Sicht vieler Westdeutscher haben wir ja alles falsch gemacht.
Derzeit gibt es in Potsdam, im Museum Barberini eine DDR-Kunst-Schau unter dem Titel „Hinter der Maske“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte zur Eröffnung, die Schau sei ein Meilenstein auf dem Weg der Deutschen zueinander.
Ich habe mir die Ausstellung mit Werken von Werner Tübke, Willi Sitti, Hans Grundig und Otto Manigk angesehen. Es befremdet mich, wenn neben jedem Werk ein Erklärungstext steht, der zum Ausdruck bringt, wie gelenkt und vorgeschrieben die Bilder entstanden seien. Dadurch entstehen historisch verdrehte Interpretationen. Das wird weder den Werken noch den Künstlern gerecht. Das ist für mich kein Weg zueinander. Die Vielfalt und Ausdrucksfacetten, die es gab, gehen durch die heutige Gegenmeinung unter.
Sollte DDR-Kunst wieder öfter unkommentiert zu sehen sein?
Jedes Bild hat seinen Zeitzusammenhang und einen konkreten Ausdruck des Künstlers. Das weiß man doch. Ich halte es für fahrlässig, erwachsenen Betrachtern Kommentierungen vorzugeben. Das Weghängen der Kunst hinterlässt eine ganze Generation, die letztlich nichts mehr wissen wird. Vielleicht brauchen unsere Bilder noch etwas mehr Zeit und in zehn Jahren gibt es ein neues Interesse und einen anderen Umgang.
Ist der Umgang in Magdeburg ungezwungen?
Ich möchte eher sagen, dass wir hier manchmal etwas unterbelichtet mit der Kunst der jüngeren Vergangenheit umgehen. Es gab vor einigen Jahren eine Ausstellung mit dem Namen „Künstler Generationen“ im Kulturhistorischen Museum zu den Sammlungen des Museums aus dem 20. Jahrhundert. Da waren die Ankäufe aus DDR-Zeit gut repräsentiert. So etwas sollte mit Abstand häufiger gemacht werden.
Was können Künstler tun, um mit Aufmerksamkeit bedacht zu werden?
Es herrscht wohl eine allgemeine Ratlosigkeit. Die Galerien sind voll von oberflächlichen Produkten einfacher, gefälliger Unverbindlichkeiten, die zudem noch reißenden Absatz finden. Für mich ist das die Diffamierung der bildenden Kunst. Fragen: Thomas Wischnewski
Rudolf Pötzsch, Maler, Grafiker, Zeichner: nächste Ausstellung ab 10. April 2018 in der Galerie Himmelreich