Das Geheime unter uns
Von geheimen Dingen geht seit jeher eine große Faszination aus – all das, was wir nicht kennen, nicht begreifen, nicht sehen. Manchmal ist uns dieses Geheime ganz nah … direkt unter unseren Füßen. Die Unterwelt. Ursprünglich bezeichnete der Begriff alles, was sich unter der Erdoberfläche befindet. Gleichzeitig haftet ihm die bildhafte Vorstellung der jenseitigen Welt an, die in den Mythen diverser Kulturen vorkommt und etwa das Reich der Toten bezeichnet – vom „Hades“ in der griechischen Mythologie bis hin zu „Xibalbá“ bei den Maya. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich, dem Englischen entstammend, eine weitere Bedeutung fest: die der Verbrecherwelt und des zwielichtigen Milieus.
Positiv klingt anders. Dabei bietet die „Welt unter der Erdoberfläche“ auch Schutz. Dort kann – meist ohne großen Aufwand – beherbergt werden, was konserviert werden soll. Im Trockenen, im Kühlen, ohne Dreck und nur für wenige zugänglich. Häufig werden dafür ausgediente Bergwerke genutzt. Nicht nur die riesigen Emmentaler-Vorräte der Schweiz werden unterirdisch gelagert. Auch Saatgut zum Schutz der Arten- und Varietäten-Diversität von Nutzpflanzen wird in einer ehemaligen Kohlegrube auf der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe Spitzbergen aufbewahrt. Die Saatgutbank „Svalbard Global Seed Vault“ hat Platz für etwa 4,5 Millionen Samenproben von Reis, Kartoffeln, Weizen bis hin zu Maniok. Deutsches Kulturgut – von Goethes Briefen bis zu den Verträgen über den Westfälischen Frieden – wird ebenfalls in einem unterirdischen Archiv gelagert. Bereits seit 1975 dient der Barbarastollen im Schwarzwald, ein ehemaliger Abräumstollen für Silber und Erze, als „Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland“ zur Lagerung von fotografisch archivierten Dokumenten.
Die „Unterwelt“ ist also keineswegs nur das Reich der Toten oder der Ort, an den man zur Entsorgung von Abfällen und Abwässern zur Zeit der Industrialisierung entsprechende Leitungssysteme verbannt hat. Ohne die Möglichkeit Unterirdisches zu nutzen, säßen zudem zahlreiche Großstädte aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens in der Bredouille.
In vielen Metropolen hat man auch gelernt, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Längst ist in Städten wie Wien, Paris, London, Berlin oder Budapest Leben in den Untergrund eingekehrt. So können Besucher lange Zeit vergessene und geheimnisumwitterte Tunnel, Bunker und andere unterirdische Gänge bei geführten Touren erkunden. In nicht mehr genutzten Weinkellern, U-Bahn-Stationen und -Schächten laden Bars und Clubs zum Feiern ein. Und Kellergewölbe dienen als Spielplatz für Erwachsene. Die dunkle, größtenteils unbekannte Unterwelt fasziniert vielerorts nicht nur Künstler, sondern regt neben Mythen auch zu Geschäftsideen an.
Und in Magdeburg? Hier gibt es ebenfalls unterirdisch einiges zu entdecken. Nicht nur einen Club im Keller eines Hauses am Breiten Weg oder dunkle Räume, aus denen man sich im Rahmen eines Abenteuerspiels befreien muss, auch historisches Gemäuer kann man erkunden. Während beispielsweise die Festungsanlagen überirdisch größtenteils zerstört wurden, finden sich unter der Erdoberfläche zahlreiche Gänge und Gewölbe – teilweise dürfen diese nicht mehr betreten werden, einiges wurde und wird allerdings wieder für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht.
Natürlich liegt noch vieles mehr im Verborgenen, für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, wie etwa die Keller der zahlreichen Häuser. Allein die etwa 19.000 Wohnungen, die zum Bestand der Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg gehören, verfügen über eine Kellerfläche von mehr als 240.000 Quadratmetern. Ebenfalls nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für ausgewählte Berufsgruppen erreichbar, ist nach Auskunft der Städtischen Werke das etwa 1.100 Kilometer lange Kanalsystem, welches das Abwasser von circa 240.000 Magdeburger Einwohnern sowie von mehr als 100 Gewerbe- und Industriebetrieben und einigen Umlandgemeinden zum Klärwerk Magdeburg/Gerwisch leitet.
Und wer weiß, was auf den folgenden Seiten noch im Verborgenen schlummert … Tina Heinz