Bildung historisch - Teil 1

Die Erfinder der Schule

Geschichtsforscher sind sich inzwischen einig, dass die Sumerer als Erfinder der Schule gelten. Das Volk, das vor etwa fünftausend Jahren im südlichen Mesopotamien – auf dem Gebiet zwischen Bagdad und dem Persischen Golf – heimisch war, gilt als fortschrittlichste Kultur der damaligen Zeit. Während die Mitteleuropäer noch in der Steinzeit lebten, gründeten die Sumerer Städte, bauten Bewässerungsanlagen für ihre Felder, errichteten Tempelpyramiden und trieben Handel. Um diesen Handel zu organisieren, schrieben sie auf, was verkauft wurde und wer wie viele Lebensmittel erhalten hatte. Dafür verwendeten die Sumerer Rechensteine, sogenannte Calculi. In die kleinen Steine – später Tonstückchen – kerbten sie Zeichen ein, um Abrechnung und Warenlieferung besser bewältigen zu können. Heute geht man von etwa 1.000 Zeichen aus, die die Sumerer nutzten, und aus denen sich später die Keilschrift entwickelte. Damit schon die Kinder das Lesen und Schreiben dieses Systems erlernen konnten, mussten sie die Tafelhäuser – wie Schulen damals genannt wurden – besuchen.

Die Kirche als Bildungsträger

In Europa zählten im Mittelalter Klosterschulen und Domschulen zu den wichtigsten Einrichtungen, nachdem sich die Kirche ab dem 5. Jahrhundert als Bildungsträger etabliert hatte. Diese Einrichtungen wurden in innere und äußere Schulen unterteilt. In den inneren Schulen erzogen und unterrichteten Mönche und Nonnen den Nachwuchs der Orden. Laienkinder – meist adliger Herkunft – wurden in den äußeren Schulen ausgebildet. Unterrichtssprache war Latein und der Fokus lag auf den Sieben Freien Künsten (septem artes liberales), einem in der Antike entstandenen Kanon von sieben Studienfächern. Hierbei wurde zwischen dem Trivium, dem sprachlich und logisch-argumentativ ausgerichteten Bereich, und dem Quadrivium, dem mathematischen Bereich, unterschieden. Das Trivium umfasste Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Das Quadrivium beinhaltete Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Die kirchlichen Bildungseinrichtungen erreichten ihre Blüte im 9. und 10. Jahrhundert. Bedeutende Klosterschulen gab es damals in Oxford, Cambridge, Tours, Corbie, Monte Cassino, St. Gallen, Reichenau, Fulda und Corvey.

Schulen im Mittelalter

Neben den kirchlichen Bildungseinrichtungen entstanden im 13. Jahrhundert auch städtische Schulen, in denen weltliche Lehrer die Erziehung und Ausbildung der Kinder übernahmen. Deutsch löste Latein als Unterrichtssprache in dieser Zeit allmählich ab. Sowohl in den kirchlichen als auch in den städtischen Einrichtungen fanden grausame Unterrichtsmethoden Anwendung – Prügelstrafen waren keine Seltenheit. Das galt ebenfalls für private Schulen, die im späten Mittelalter in Deutschland und den Niederlanden aufkamen. In den sogenannten Winkelschulen (auch bekannt als Heckoder Klippschulen), unterrichteten meist gering ausgebildete Lehrer oder Kleriker, die für ihre Tätigkeit die Erlaubnis des Stadtmagistrats benötigten. Für den Besuch der privaten, von Behörden nicht anerkannten Winkelschulen mussten die Familien aufkommen – mit Bargeld oder Naturalien. Unterrichtet wurden Lesen und Schreiben. Damals notwendiges Basiswissen mussten sich die Schüler durch Auswendiglernen aneignen. Bis ins 19. Jahrhundert hinein existierten die Winkelschulen – erst dann wurden sie nach und nach durch öffentliche Einrichtungen ersetzt.

Schule und Reformation

Das Bildungssystem im Mittelalter war hauptsächlich religiös-kirchlich geprägt. Erst als im Zuge der Reformation Klöster und Stifte aufgelöst und angeschlossene Schulen aus Geldmangel geschlossen wurden, änderte sich das Bildungsverständnis. Im Rahmen der Bestrebungen, die Kirche zu erneuern und Missstände abzuschaffen, wurde auch der Sinn von Bildung und Erziehung hinterfragt. Martin Luther betonte in seinen Schriften, für wie wichtig er die „gelehrte Bildung der Kinder“ erachtet. Er forderte sogar, die Menschen notfalls mittels Zwangs dazu zu bringen, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Und auch Philipp Melanchthon legte großen Wert auf die Bildung und Erziehung aller. Ziel der beiden Reformatoren war es, vor allem Kindern aus ökonomisch schwachen Familien den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Weder Herkunft noch Geschlecht sollten bei der schulischen Erziehung eine Rolle spielen.

Allen alles umfassend lehren

Während die Sumerer die frühe Form der Schule erfanden, geht das Verständnis für Unterricht, wie wir ihn heute kennen, auf den tschechischen Philosophen, Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius (Bild rechts) zurück. Der 1592 in Südostmähren geborene Gelehrte entwickelte die Idee eines Unterrichts in unterschiedlichen Fächern. Nach seinen Vorstellungen sollten die Kinder bereits während der ersten Lebensjahre die wichtigen Dinge von der Mutter vermittelt bekommen und dann im Alter von sechs bis zwölf Jahren an öffentlichen Schulen Lesen, Schreiben und Rechnen lernen sowie geschichtliche, politische, geographische und religiöse Kenntnisse vermittelt bekommen. Comenius plädierte dafür, den Unterricht jeweils in der Muttersprache und nicht in Latein abzuhalten. Die „Didactica Magna“ (Große Didaktik) gilt als wichtigstes Werk des Pädagogen. Darin leitet er grundsätzliche Prinzipien der Didaktik her und beschreibt deren Umsetzung in der Praxis, geht auf Lerninhalte, Erziehungsziele sowie auf Fragen der Schulorganisation ein. Mit dem Leitspruch „omnes omnia omnino“ formuliert er den Anspruch, allen Kindern alles in umfassender Weise zu lehren. Dass Comenius Reformvorschläge zu seinen Lebzeiten keine Beachtung fanden, lag wohl hauptsächlich an den politischen Wirrungen – vor allem der Dreißigjährige Krieg ließ seine Ideen in den Hintergrund rükken, die jedoch dank seiner Werke erhalten blieben. So beispielsweise auch „Orbis sensualium pictus“ (Die sichtbare Welt in Bildern), ein illustriertes deutsch-lateinisches Sprachenbuch für Kinder, das als erstes Bilderbuch und als Vorläufer heutiger Schulbücher gilt.

Einführung der Schulpflicht

Trotz aller reformatorischer Bemühungen gab es bis in das 19. Jahrhundert hinein keine einheitliche Regelung des Schulbesuchs – weder in den deutschen Staaten noch in anderen europäischen Ländern. Als erstes führte das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Jungen ein, später folgten u.a. Sachsen-Gotha (1642), Braunschweig-Wolfenbüttel (1647) und Württemberg (1649). Erst Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. legte 1717 in einem Generaledikt fest, dass Eltern ihre Kinder – im Alter von fünf bis zwölf Jahren – im Winter täglich und im Sommer mindestens ein- oder zweimal wöchentlich zur Schule schicken sollten. Er erhoffte sich dadurch bessere Untertanen. Doch weder der Mangel an Schulen noch an Lehrkräften wirkte in dieser Hinsicht unterstützend. Zudem wollten hauptsächlich die Bauern dieser Regelung nicht Folge leisten, da sie einen Verlust an Arbeitskräften fürchteten. Erst mit der Einschränkung der Kinderarbeit im Jahre 1839 sollte sich dies bessern. Mit dem 1763 erlassenen Generallandschulreglement wollte König Friedrich II., Sohn Friedrich Wilhelm I., das Bildungsmonopol der Kirchen endgültig brechen. Er legte eine Schulpflicht von acht Jahren fest und wollte den Unterricht nach festem Lehrplan regelmäßig an drei Stunden pro Tag stattfinden lassen. Eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland wurde schließlich erst 1919 in der Weimarer Verfassung verankert. Darin wurden neun Vollzeitschuljahre (allgemeine Schulpflicht) und drei Teilzeitschuljahre (Berufsschulpflicht) vorgeschrieben.

Zurück