Bahnbrecher Magdeburg
Endlich! Endlich hat die Stadt Magdeburg die Zeichen der Zeit erkannt und schenkt dem Thema Radverkehr mehr Aufmerksamkeit. Denn vor allem vor dem Hintergrund der Klimadebatte, der Dieselskandale und drohender Fahrverbote in zahlreichen Städten gewinnt der Radverkehr an Bedeutung. Auch im eigenen Interesse ist dies eine große Chance für die Landeshauptstadt. Daher wurde nun beschlossen, in Zukunft deutlich mehr als bislang in den Radverkehr zu investieren und die interkommunale Zusammenarbeit zur wirksamen Radverkehrsförderung zu intensivieren. Dazu sind u. a. Kooperationen mit der Partnerstadt Braunschweig und auch im ländlichen Raum geplant.
Zunächst sollen die Probleme – auch mit Blick auf die zahlreichen Baustellen, von denen uns einige auch noch in den nächsten Monaten und Jahren erhalten bleiben – jedoch vor der eigenen Tür beseitigt werden. Im ersten Schritt wird angestrebt, das Modell Fahrradstraße in mehreren Stadtteilen durchzusetzen. Bislang wurde dieses in der Goethestraße in Stadtfeld getestet – und nun soll das Konzept überarbeitet werden. Derzeit sind beispielsweise die Kreuzungen in der Goethestraße alle gleichrangig, in Zukunft sollen – wie bei einer Fahrradstraße üblich – die Radfahrer Vorrang haben. Zudem wird erwogen, das Parken in der Goethestraße nur noch einseitig zu erlauben, um mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen.
Auch im Breiten Weg soll sich die Situation für die nichtmotorisierte Bevölkerung verbessern. Mehrere Konzepte (komplette Fußgängerzone wie im Nordabschnitt, Einbahnstraße etc.) zur Verbreiterung der Fuß- und Radwege liegen zur Überarbeitung vor. In einem weiteren Schritt wird erwogen, die Radwege auf den Hauptverkehrsstrecken mit fluoreszierendem Material zu versehen, um sie nachts sicherer zu machen. Auch eine bessere Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr ist geplant. Um die Menschen zu bewegen, im Alltag vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen, müssen die Transportmöglichkeiten in Straßenbahn, Bus und Zug deutlich attraktiver gestaltet werden. Vor allem für Pendler, die zur Arbeit eine längere Strecke zurücklegen müssen, ist dies von Bedeutung.
Neben der Vernetzung des Fahrrades mit anderen Mobilitätsangeboten spielt auch das Thema Sicherheit eine enorme Rolle. Dazu wurde, abgesehen von den fluoreszierenden Wegen, bereits beschlossen, in Magdeburg mehr Abstellmöglichkeiten – teils überdacht – für Fahrräder zu installieren. Zudem wird künftig den Themen Fahrraddiebstahl und Vandalismus mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Die Stadt zieht auch in Erwägung, künftig Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit dem Fahrrad statt mit dem Auto loszuschicken. Weitere Berufsgruppen könnten folgen – beispielsweise nach dem Vorbild englischer Städte, wo Notfallsanitäter mit dem Fahrrad unterwegs sind, um schneller Einsatzziele in den überfüllten und von Baustellen geplagten Innenstädten zu erreichen.
Möglichkeiten, ein besseres Miteinander im Straßenverkehr zu schaffen, gibt es viele. Was für manche etwas kurios klingt, wird in zahlreichen Städten – u. a. London, Kopenhagen und Vancouver – bereits praktiziert. Warum bloß tun wir uns in Deutschland damit so schwer? Und warum sollte Magdeburg diesbezüglich keine Vorreiterrolle spielen? Sicher, es bedarf eines persistenten Diskussionsprozesses mit der Bevölkerung und eines langen planerischen Vorlaufs, um den Straßenraum so zu gestalten, dass alle gleichermaßen davon profitieren. Die in den vorhergehenden Absätzen aufgezählten Veränderungen sind kein Aprilscherz, sondern Teil einer Weihnachtswunschliste. Und an deren erster Stelle muss der Wunsch nach weniger Egoismus und mehr Miteinander stehen – nicht nur im Straßenverkehr. (th)