An der Schrote: Stichlingsfang und Backfisch-Jagd

Es kommt mir wie eine Zeitreise vor. Kaum hatten wir im Redaktionsteam das Thema Stadtfeld besprochen, leuchteten meine Augen. Hatte ich doch hier meine Kindheit verbracht. Zugezogen aus der sächsischen Metropole Dresden gehörte der kleine Bach, der bei Hermsdorf seinen Ursprung hat und nach 33 Kilometern bei Wolmirstedt in die Ohre fließt, zum bevorzugten Revier eines heranwachsenden Teenagers. Wohnhaft in den zu den ersten Neubauten Magdeburgs zählenden Plattenkonstrukts in der Wilhelm-Klees-Straße/Reinhold-Götze-Straße (heute Agricola) gab es kaum einen Tag, an dem man nicht mit dem Wasserlauf, der quer durch Stadtfeld fließt, in Berührung kam. Irgendwie waren alle Stadtfelder Kinder mit Schrotewasser getauft. Ausstaffiert mir leeren 5-Liter Spreewälder Gurkengläsern gingen wir sommers hier auf die Jagd nach dem Gasterosteus aculeatus – dem Dreistachligen Stichling. Den gab es in der Schrote wie so manches andere Getier. Sehr zum Leidwesen meiner Eltern, die meinen Forscherdrang weniger rational sahen und die Gläser mit dem gesammelten Wassergetier stilschweigend wieder entsorgten. Zur Winterzeit gehörte die Schrote im gefrorenen Zustand zur längsten Eisrutschbahn und brachte öfter blaue Flecke ein. Es zählte auch zu den Mutproben, unter den Straßenquerungen der Schrote die rumpelnden Straßenbahnen zu erdulden oder Passanten aus den Gullydeckeln zu erschrecken.

Apropos Straßenbahnen: Auf dem offenen Perron der alten Elektrischen, die quietschend am Olvenstedter Platz ihre Fahrt aufnahm (erst in den 1970ern abgelöst von den Tatrazügen), ging es für Grundschüler zum Schwimmunterricht in die altehrwürdige „Stadtpfütze”. Das 1898 als Wilhelmsbad in der damaligen Spielgartenstraße, heute Maxim-Gorki-Straße, in Betrieb genommene Hallenbad mit angeschlossenem Freibad, das neben einem Wasserbecken auch Liegewiesen bot, existierte bis1988. Viele Magdeburger Schülerinnen und Schüler hatten im Stadtbad während des Sportunterrichts ihre ersten Schwimmunterweisungen. Den Auftrieb besorgten Korkbänder und knüppelharte Schwimmreifen, die Hautreizungen im Gürtelbereich verursachten. Und wer hier war, kennt auch das „blöde“ Umziehen nach erfolgten Schwimmlektionen. Vor allem im Winter klebten die Sachen und wollten nicht mehr auf die Haut. Als Belohnung gab es dann am Brauseautomaten für 20 Pfennig Brause im Pappbecher: Himbeer-, Orangen-, Zitronen- oder Waldmeistergeschmack. Vorausgesetzt, er funktionierte. Kurios auch der Parfümautomat im Foyer der „Stadtpfütze“.

Und noch etwas gehört zum „Schroteleben”: Magdeburgs schönste Seiten sind die Grünanlagen entlang des Flüsschens. Von der Olvenstedter Straße entlang der Goetheanlagen bis nach Diesdorf zog es mich dann als Heranwachsender mit meiner ersten Freundin im Arm auf die Wiesen. Doch eine Nebenwirkung hatte dieser Backfisch-Fang auf den Grünanlagen: Hier bekam ich meine ersten Heuschnupfen-Attacken...(rf)

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