Wein statt Wasser
Neulich, als das Wetter so herrlich war, wollte ich den Feierabend einfach mal auf dem Balkon genießen. Draußen herrschte ungewohnte Stille und die Temperaturen waren auch nach 20 Uhr noch ganz angenehm. Kein Fernseher, kein Buch war nötig, um mich vom Alltag abzulenken. Ich stand einfach da … an das Geländer gelehnt … sog die sommerliche, vom Lavendelduft der Balkonbepflanzung erfüllte Luft ein, atmete langsam wieder aus und bewunderte das Farbspektakel, das der Sonnenuntergang in den Himmel zauberte. So lässt es sich aushalten, dachte ich noch … und dann plötzlich: Platsch! Ein Tropfen. Direkt auf den Kopf. Platsch! Ein zweiter auf die Schulter. Ich sah verwundert nach oben, konnte jedoch keine Wolke über dem Haus ausmachen. Blinzelnd, weil weitere Tropfen in meinem Gesicht landeten, entdeckte ich – zwar verschwommen, aber doch deutlich genug – den Ursprung des Übels. Aus einem Blumenkasten, der am Geländer des obersten Balkons angebracht war, tropfte es unablässig. Wenige Zeit später fing auch der zweite Blumenkasten an, auf meinen Balkon zu pieseln. Allmählich bildeten sich Wasserlachen und ich sah aus wie ein begossener Pudel. Wutentbrannt verließ ich meine Wohnung und stapfte die Treppe nach oben. Nachdem ich etwas ungehalten an der Tür geklopft hatte, öffnete mir eine junge Dame – BWL-Studentin an der hiesigen Uni, wie sich später herausstellen sollte. Erst verwundernd dreinblickend, dauerte es nicht lange, bis der Groschen fiel und sie brach daraufhin in schallendes Gelächter aus. Bei mir dauerte es noch einige Sekunden, bis ich beschloss, mich nicht in meine Wut hineinzusteigern und stattdessen mitzulachen. Sie brachte mir ein Handtuch, bat mich herein und bot mir ein Gläschen Wein als Entschuldigung an. Auf ihrem trockenen Balkon saßen wir dann noch lange nachdem die Sonne bereits untergegangen war. Nicht die beste, aber definitiv eine interessante Variante, um seine Nachbarn kennenzulernen. Immerhin konnte ich ihr das Versprechen abringen, beim Blumengießen auf dem Balkon achtzugeben oder mich schon vorher auf einen Schnack einzuladen … Sonnige Grüße, Miriam aus der 3. Etage www.diestadtfelder.de