Verstandesamt: Chronische Sondiereritis
Regierungsbildung ist sicher kein leichtes Unterfangen. Müssen doch wenige Köpfe ein tragfähiges Konzept aus verschiedenen Parteiprogrammen für eine Legislaturperiode zusammenbringen. Das war schon in der Vergangenheit nicht einfach. Scheint aber unter den gegenbenen Mehrheitsverhältnissen infolge der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres zu einer Dauerbeschäftigung geworden zu sein. Menschen, die sich von einer Sache nicht selbstständig zu lösen vermögen, bezeichnet man psychiatrisch als sogenannte „klebrige Typen“. Solche sind verstandesamtlich auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen auszumachen: Einerseits sieht man da die Dauersondierer von CDU und CSU, unter denen schon FDP und Grüne verschlissen wurden und die jetzt an Schulz und Genossen kleben, andererseits sind es Medienvertreter, die jedes Nichtergebnis in ein Ergebnis umwandeln. Was aus Sicht des Verstandesamtes wirklich verheerend ist, dass alle diese vielen Gesprächszusammenkünfte nach der nächsten Wahl sämtlich vergessen sind und der immerselbe Sondierungsklebstoff erneut aufgetragen wird. Offensichtlich haben wir es in der politischen Sphäre mit einem chronischen Sondierungsphänomen zu tun, das sich regelmäßig unter unklaren Richtungsentscheidungen einstellt. Daher muss damit gerechnet werden, dass sich Regierungsbildungen künftiger Legislaturen häufiger über mehrere Monate hinziehen werden, bis sie von Parteibasen in Neuwahlen aufgelöst werden. So muss dauerhaft nichts entschieden werden und man kann in Ruhe abwarten, in welche Richtung sich die Welt dreht. Das Verstandesamt wird diese Erscheinung beobachten und gebenenfalls therapeutische Hilfen zur Überwindung anbieten. i. A. Knüllig-Dingeldeu, Verstandesamtsrat