Summ summ summ, Bienchen summ herum!

Martin Luther hat, als er die Bibel in die deutsche Sprache übersetzte, gesagt: „Ihr müsst den Leuten aufs Maul schauen.“ Er meinte damit, Wörter, Ausdrücke und Wendungen zu verwenden, die im Volk üblich sind. Wenn Sie demnächst wieder in Ihrem Supermarkt an der Kasse stehen und bezahlen wollen, dann schauen Sie auch mal der Kassiererin „aufs Maul“. Hören Sie genau hin, wenn Sie Ihnen die Summe nennt, insbesondere wenn es um die Cent-Beträge geht. Sie hören die Zahl und dann in den meisten Fällen tsent. Also von der Aussprache her denselben Laut, als würde gesagt Zentner oder Zentrum, nur eben ohne die drei letzten Buchstaben.

Dieses ts am Beginn eines Wortes, dargestellt im deutschen Alphabet durch den Buchstaben Z, kommt in unserer Muttersprache sehr häufig vor. Wir brauchen uns nur den Umfang an Seiten mit diesem Buchstaben in einem muttersprachlichen Nachschlagewerk, z. B. dem Duden, anzusehen und dann das Ergebnis mit einem französischen oder englischen Wörterbuch zu vergleichen. Mehr als zwei oder drei Seiten mit dem z am Wortbeginn werden Sie da bei den ausländischen Freunden nicht finden.

Beschäftigen wir uns aber noch ein bisschen mit dem Cent. Kurz nach der Einführung der neuen Eurowährung, so nach dem Jahre 2001, soll es im ZDF-Fernsehen die Anweisung gegeben haben, dass die Sprecher der Nachrichtensendungen „heute-journal“ dieses Wort Cent in der Weise aussprechen, wie es in England gesprochen würde (Großbritannien hat bekanntlich bis heute den Euro und den Eurocent nicht eingeführt, im Gegenteil – siehe Brexit). Jetzt müssen wir mal etwas weiter ausholen. Warum tut sich unsere Kassiererin in der Kaufhalle so schwer, anstelle von tsent das damals von den Fernseh-Intendanten geforderte ssent zu sprechen?

Im Deutschen haben wir nur einen Buchstaben s für zwei Laute, nämlich für das sogenannte stimmhafte s und für das stimmlose s. Das stimmhafte s wird im Deutschen immer dann gesprochen, wenn nach ihm ein Vokal (= Selbstlaut) folgt. Und das ist fast immer der Fall, wenn es am Anfang eines Wortes steht: Sommer, Sack, Sonne, sieben, sehen, See, Sinn … Bestes Beispiel ist das Kinderlied „Summ, summ, summ, Bienchen summ herum …“ Der Laut stimmhaftes s ist sehr produktiv im Deutschen, das sehen Sie schon beim einfachen Blick in den Duden. Den Laut stimmloses s gibt es im Deutschen, wenn das s am Ende eines Wortes steht, doppelt auftritt oder ein ß ist: Haus, das, es, reißen, küssen, bis, Bus, Maus … Der s-Laut wird stimmhaft, wenn einem einzelnstehenden s ein Vokal folgt: Häuser, Esel, Kiesel, Eisen, dieser … Diese Regeln brauchen wir uns als Deutsche nicht einzuprägen, sie sind auch nicht Gegenstand des Lernens in der Schule. Jeder von uns weiß sozusagen automatisch, wie solche Wörter auszusprechen sind.  Aber gerade darin liegt der Haken. Eben weil wir es gewöhnt sind, am Anfang eines Wortes mit dem Buchstaben s den stimmhaften Laut zu gebrauchen und das stimmlose am Wortanfang gar nicht kennen, greifen wir auf die Hilfskonstruktion ts zurück: Cent, Center.

Im Russischen übrigens, mit seinem Alphabet mit 33 Buchstaben, gibt es für den s-Laut zwei unterschiedliche Buchstaben: stimmhaftes s: з: звать (dt. rufen), зеркало (Spiegel), зритель (Zuschauer), stimmloses s: c: север (Norden), Сочи (Stadt Sotschi), судно (Schiff). Im Englischen, wie auch im Französischen, ist der s-Laut am Wortbeginn immer stimmlos: see (sehen), say (sagen), seven (Zahl sieben). Französisch: sage (weise, klug), support (Stütze), somme (Summe), sortie (Ausgang).

Was hat nun das s mit dem c in diesen Wörtern fremdländischen Ursprungs zu tun? Einzig und allein mit der Aussprache, nämlich dass es sich immer um den stimmlosen Laut s am Wortanfang handelt. Achtung jedoch! Es muss dem c ein sogenannter heller Vokal folgen, das heißt ein e oder ein i: celebrate (engl., feiern), citizen (engl., Bürger), cidre (frz., Apfelwein), cerise (frz., Kirsche). Steht jedoch nach dem c ein a, o oder u, die man als dunkle Vokale bezeichnen könnte, dann wird c wie k ausgesprochen: call (engl., rufen), cook (engl., kochen), cut (engl., schneiden), calme (frz., ruhig), colle (frz., Klebstoff), cuir (frz., Leder). Wenn wir nun schon mehrmals die englische und französische Sprache bemüht haben, können wir fragen, ob es dort nicht auch den stimmhaften s-Laut am Wortanfang gibt. Ja, den gibt es. Und er wird interessanterweise durch den Buchstaben z ausgedrückt: zero (engl., Null), zone (engl., Zone), zoom (engl., Zoomen), zut (frz., verflixt), zigzag (frz., Zickzack), zéro (frz., Null).

Im Zusammenhang mit der Aussprache können uns Wörterbücher, die die Lautschriftzeichen der International Phonetic Association verwenden, eine große Hilfe sein. Nehmen Sie sich ein, sagen wir mal, Englisch-Deutsches Wörterbuch zur Hand, dann werden Sie, wenn es sich um für den deutschsprachigen Nutzer konzipiertes Wörterbuch handelt, zu jedem englischsprachigen Stichwort Aussprachehinweise entsprechend der internationalen Lautschrift finden, in der Regel in eckigen Klammern. Diese Zeichen unterscheiden sich stark von den bekannten Buchstaben unserer auf dem Latein basierenden Alphabete und sind anfangs gewöhnungsbedürftig. Wenn Sie sich damit beschäftigen wollen, dann nehmen Sie sich am besten einige Stichwörter des Englischen vor, von denen Sie die Aussprache gut kennen oder die Sie im Gehör gespeichert haben, und nach kurzer Zeit werden Sie das System der internationalen Lautschrift verstanden haben. Wenn Sie aufmerksamer Schüler sind, wird es Ihnen sogar gelingen, ein gerade gehörtes Wort, von dem Sie die Schreibweise noch gar nicht kennen, sich in dieser Lautschrift zu notieren.

Sollten Sie sich mit dem Gedanken tragen, sich ein neues Wörterbuch Deutsch-Fremdsprache oder umgekehrt zulegen zu wollen, dann nochmals der Hinweis, dass es sich um ein Buch für den deutschsprachigen Nutzer handeln sollte. Denn dann können Sie erwarten, dass hierin mehr Informationen über die fremdsprachigen Einträge als über die deutschsprachigen enthalten sind. Schließlich können Sie ja in der Regel auf Angaben zur Bildung des Plurals oder zur Konjugation der Verben im Deutschen verzichten.

Und wie sieht nun die Schreibweise unseres Cent oder des Summens unseres Bienchens in der internationalen Lautschrift aus? Meist wird die Aussprache, wie oben schon gesagt, in eckigen Klammern dargestellt. Und in dem System gilt:

stimmhafter Laut s = [ z ], also Summ [zum]
stimmloser Laut s = [ s ], also Cent [sent].

Und wie hören wir gewöhnlich Cent, Center? Wenigstens für die Aussprache von Cent geben wir hier die Lautschrift an: [tsent]. Aus drucktechnischen Gründen verzichten wir hier auf die Wiedergabe von Center. Egal, ob Sie nun Cent mit ts oder mit stimmlosem s aussprechen, es bleibt dabei, dass zehntausend Cent so viel wie hundert Euro sind (eine andere Geschichte ist, dass es nicht Cents und Euros heißt!). Aber, Freunde, aufgepasst! Da gibt es Leute, die wollen die 1- und 2-Cent-Münzen abschaffen. Dieter Mengwasser, Dipl.-Dolmetscher u. -Übersetzer

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