StadtMensch: Mit Rumstehen Platz stehlen
Der Bundesverkehrsminister ist nun etwa seit zehn Jahren immer ein CSU-Politiker. Und diese Partei hat, sagen jedenfalls ihre Repräsentanten, den Umweltschutz erfunden. Der aktuelle Minister Scheuer und sein Vorgänger haben bekanntlich eine Pkw-Maut an allen Gesetzen vorbei durchgedrückt und sind damit gehörig auf die Nase gefallen, ohne dass dieser Vorgang irgendwelche Konsequenzen gezeitigt hätte. Natürlich versteht er sich allerbestens mit der deutschen Automobilindustrie, deren Repräsentanten in anderen Ländern wegen Betrugs angeklagt und verurteilt werden. Hier hingegen hat es kaum Konsequenzen für die vom Dieselskandal betroffenen Firmen gegeben. Im Gegenteil, auch den Verbrauchern scheint es eher gleichgültig zu sein, denn die Verkaufszahlen der SUVs bewegen sich auf zunehmend hohem Niveau. Vor ein paar Jahren waren es noch Geländewagen und Fahrzeuge mit Allradantrieb, welche die Innenstädte verstopften, mittlerweile ist es der SUV. Der ist groß, braucht also einen größeren Parkraum als der durchschnittliche Pkw und stößt natürlich auch einiges an Abgasen aus; mehr jedenfalls, als ein durchschnittliches, einigermaßen neues Fahrzeug.
SUVs sind wie Kreuzfahrtschiffe, maßlos überdimensioniert und ein wahrhaft unnötiger Luxus. Zugegeben, das ist auch Geschmacksache, und ich, als Fußgänger, welcher nicht einmal über einen Führerschein verfügt, kann mir darüber vermutlich kein endgültiges Urteil erlauben. Aber als Stadtbewohner habe ich dazu natürlich trotzdem eine Meinung. Ich bin kein großer Freund von Verboten und es liegt mir fern, auch nach dem schweren Unfall in Berlin, diese Vehikel radikal aus den Innenstädten zu verbannen. Aber ich möchte einfach ein paar Fragen aufwerfen, die mir schon länger durch den Kopf gehen.
Zum einen hat der Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ nichts mit meinem Freiheitsbegriff zu tun, denn was soll das für eine Freiheit sein, die vor allem andere in ihrer Freiheit beschränkt? „Easy Rider“ ist nun schon 50 Jahre, eine Ölkrise und zu viele heiße Sommer her. Und wenn wir uns richtig erinnern, wurden die Protagonisten dieses Films am Ende von genau den Wutbürgern erledigt, die heute eben diese Freiheit für sich in Anspruch nehmen wollen.
Verkehrspolitisch ist der SUV wie der Dinosaurier kein Zukunftsmodell. Viel zu groß und sperrig mag er dem subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Insassen entsprechen, was sich möglicherweise auf Fernstraßen auch herstellt. In einer Innenstadt ist er einfach nur ein sperriges Störobjekt, das für Fußgänger und Radfahrer, also die anderen, nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer, durch die Höhe seiner Aufprallzonen lebensgefährlich ist. Dazu benötigt er Raum, der in der Stadt teuer und selten ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Menschen ihre Einkäufe im Netz erledigen und sich nach Hause liefern lassen. Lieferdienste schießen geradezu aus dem Boden und verdrän-gen die traditionelle Gastronomie. Streaming-dienste verändern das Ausgehverhalten. Was das mit dem Autoverkehr zu tun hat? Eine Menge. Denn das eigene Fahrzeug steht in der Freizeit immer öfter nur noch herum und wegen seiner Sperrigkeit nimmt es zu viel von dem Platz in Anspruch, den eigentlich der durch die genannten Veränderungen zunehmende Lieferverkehr benötigt, welcher sich durch die enger werdenden Straßen schlängelt. Werden die Kinder dann auch noch zu Schule oder KITA gefahren, sind die Straßen vor den entsprechenden Gebäuden für kurze Zeiträume völlig verstopft.
Gleichzeitig nimmt der Radverkehr zu, der knappe Platz muss auf immer mehr Verkehrsteilnehmer aufgeteilt werden. Dadurch steigt früher oder später die Unfallgefahr an.
Die Stadt der Zukunft kann sich den Platz für SUVs nicht länger leisten. Denn die breiten Straßen sind schon lange keine Lebensadern mehr, sondern veröden die Innenstädte. Der stationäre Handel stirbt, wenn die Autos an ihm vorbeirauschen oder ihn zuparken. Es gibt belastbare Statistiken, die nachweisen, dass Läden mehr Umsatz machen, wenn stattdessen Fußgänger oder Radfahrer an ihnen vorüber fahren oder schlendern. Denn ohne große Umstände können diese das Geschäft betreten, ohne sich auf die lange und mehr oder weniger aussichtslose Suche nach einem Parkplatz zu machen.
Wenn dazu noch ein funktionierender Bus- oder Straßenbahnverkehr kommt, der nicht permanent durch Baustellen behindert wird, deren unnötige Gleichzeitigkeit die Magdeburger Innenstadt schon seit Monaten lahm legt, dann hat die Stadt als lebendiger, lebenswerter Raum eine Chance. Und SUVs sind eben kein Teil davon, sie sind Fremdkörper in einem grundlegend funktionierenden Organismus. Da sind keine Verbote notwendig, sondern Einsichten. Denn auch mit Elektroantrieb oder Solarpanel auf dem Dach bleiben sie zu groß für die Stadt.
Aber längst ist aus diesen Überlegungen ein Glaubenskrieg geworden. Als wäre die Klimakrise nicht real, wovon einen jeden schon der Blick in die kümmerlichen Reste der Elbe überzeugen sollte, wird darüber lamentiert, dass alles verboten werden soll. Schnell ist es „linksgrünversifft“, wenn man die realen Probleme anspricht. Es ist immer wieder überraschend zu sehen, wie (und vor allem mit welcher Sprache) erwachsene Menschen eine junge Frau angreifen, die sich dafür engagiert, den Klimaveränderungen etwas entgegen zu setzen. Mag manche Forderung von „Fridays for future“ vielleicht jugendlich überzogen sein, aber grundsätzlich bedenkenswert sind sie alle. Und wir sollten uns über diese engagierten Jugendlichen freuen, die etwas erreichen wollen: Nämlich, dass wir zuhören und nachdenken. Und dann braucht es auch keine Verbote, sondern Einsichten. Es könnte so einfach sein. Lars Johansen