Salongeflüster: Wundersänger

Neulich war ich mal wieder im Zoo. Eigentlich mag ich es ja nicht, eingesperrten Tieren dabei zuzusehen, wie sie in Ermangelung von Auslauf und echter Natur langsam verblöden und ihr Blick hinter den hohen Zäunen immer stumpfer wird, aber schließlich hat mein Frisiersalon ja auch ein Schaufenster, durch das mich die Gaffer manchmal wie ein Tier betrachten. Oder betrachte ich sie wie Tiere hinter Glas? Alles eine Sache der Perspektive und nur weil wir unsere Gitter nicht immer sehen, muss das nicht bedeuten, dass es keine gibt. Außerdem lerne ich da viel über aktuelle Haarmoden, denn wer sich zum Affen macht, der möchte ja auch vielleicht wie einer aussehen. Und zum anderen hatte sich im Magdeburger Zoo ein Wunder ereignet. Das war auch bitter nötig, denn der steht auf der bundesweiten Beliebtheitsskala auf dem 106. Platz noch weit hinter dem Staßfurter Tierpark, in dem es vielleicht zwei Dutzend Bewohner gibt, die sich dem Tod entgegenlangweilen. Es war bei einem Zookonzert, dessen Sänger ich, ehrlich gesagt, nicht von all den anderen gerade angesagten deutschen Singer-Songwriter-Dreitages-oder-Rausche-Bart-tragenden selbstmitleidigen Softies unterscheiden kann oder will. Doch es handelte sich wohl um den Schutzheiligen all dieser klampfenden Barden, den heiligen Johannes von Oerding, der es es nur durch die Kraft der Musik geschafft hatte, dass eine beinahe jungfräuliche Giraffe ein Kindlein gebar. Und niemand vom gesamten Zoopersonal hatte auch nur geahnt, dass das Tierlein trächtig war. Kurz vorher waren erst ihre Mutter und deren frisch geborenes Junges gestorben. Das schreit doch nach einem Denkmal oder sollte es wirklich reichen, die kleine Giraffe je nach Geschlecht Johannes oder Johanna zu nennen? Und könnte der Johannes dann nicht auch mal bei mir im Salon spielen, wenn dadurch die Kopfhaut neue Haare auch und gerade auf Glatzen gebiert und Dauerwellen wirklich dauern? Und wenn er schon mal da ist, dann könnte er sich neben die Tunnelbaustelle stellen und singen und singen, bis auch die Bauzeit singt bzw. sinkt. Danach geht es ab zur Uni-Klinik, die einen Investionsstau hat und deshalb wegen der mangelnden Hygiene einfach mal die Krebsstation schließt. Wenn das Geld nicht mal mehr für ein wenig Sagrotan reicht, wie schlimm muss es wirklich sein? Johannes, spiel uns die Sorgen weg. Und wenn du am Schluss noch am Rathaus und am Landtag vorbei schauen könntest, dann  würde da auch mal was fruchten. In diesem Sinne: Der Nächste bitte.

Zurück