Salongeflüster: Nachtgeschichten

Die Zahl der abergläubischen Menschen nimmt ja immer mehr zu. Die einen glauben an Chemtrails, die anderen an böse Geister und die Hartnäckigsten sogar daran, dass der Tunnel am Bahnhof noch zu ihrer Lebenszeit fertig wird. Wie verbohrt muss man denn sein, um so etwas zu glauben? Selbst eine einfache Rinne, die dazu dient, auf der Treppe im Bahnhof Fahrräder rauf oder runter zu schieben, wurde beinahe zwei Jahre lang geplant. Es sind nur ein paar Steine, die hier verlegt wurden, mehr nicht. Wie viel länger wird also ein Tunnel dauern, der tausende von diesen Steinen enthält? Ganz genau, wenn der Bau des ersten Raumschiffes „Enterprise“ abgeschlossen und mittlerweile Beamen die schnellste und billigste Art der Fortbewegung ist, dann wird auch unser Tunnel feierlich eröffnet.
Die schlimmsten Abergläubischen sind aber die, die bei mir im Frisiersalon aufschlagen. Da gibt es Männer, die wollen den Haarschnitt nur bei Vollmond um Mitternacht erledigt wissen, weil danach angeblich das Haupthaar wieder richtig wallt. Da spreche ich dann ein paar Zaubersprüche, nehme den dreifachen Preis und klappere bedeutend mit der Schere, ohne wirklich was abzuschneiden, denn wenn ich deren Kopfwüste roden würde, dann bliebe nur eine kahle Öde. So kann sich wenigstens ein wenig Buschwerk entwickeln, das man fast zu einer Frisur kämmen kann. Frauen kommen zur Walpurgisnacht auf dem Besen eingeritten und möchten gerne ihre hexenhaften Gesichtszüge mit einer flotten Dauerwelle verschönert wissen. Das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint von mir, sie kommen auch tagsüber und ohne Besen, zeigen mir ein Bild von sich, dass sie mit Fotoshop so lange bearbeitet haben, bis sie wie eine Mischung aus Kim Kardashian und Heidi Klum aussehen. Und ich soll das dann realisieren. Wie kann man nur so abergläubisch sein? Ich sage dann immer: Eine Mischung aus Agnes Kraus und Angela Merkel ist doch auch ganz nett. Und viel leichter herzustellen. Und dann wird geschnippelt. In diesem Sinne: Die Nächsten bitte.

Zurück