Salongeflüster: Klassik zum Weglaufen
Immer mehr von meinen Kundinnen erwarten von mir immer mehr. Ich solle doch ein wenig Wellness anbieten. Dabei biete ich doch schon Dauerwellness an. Das reicht ihnen nicht. Sie wären gerne in einem Spa. Ich sage, die Spa(r)kasse ist doch direkt gegenüber. Nein, sie suchen eine Wohlfühloase. Zuhause scheinen sie sich nicht so richtig wohlzufühlen, sonst würden sie ja nicht bei mir meckern. Ich drehe die klassische Musik ein wenig lauter und hoffe auf den Hasselplatzeffekt. Da will man ja auch die Trinker, die Pisser und die Schläger mit klassischer Musik vertreiben. Ich gestehe, dass ich das nicht so ganz verstanden habe. Erst richtet die Stadt für richtig viel Geld ein Telemannjubiläum aus und dann kommt raus, dass seine Musik eigentlich nur als Abschreckung taugt. Wollte man also in Wirklichkeit einfach nur die Touristen vertreiben? Oder gar die Einheimischen, denen die Notenschlüssel schon aus den Ohren wachsen? Und vor allem: Welcher Klassiker schreckt am meisten ab? Ich denke ja Wagner. Wenn ich den richtig laut spiele, kann ich vorzeitig Feierabend machen. Bei Bach oder Händel kommen oft noch Kunden dazu. Beethoven und Brahms haben gar keine Wirkung. Aber Schönberg wirkt richtig. Kennen Sie Schönberg? Wahrscheinlich vom Weghören. Schon bei mittlerer Lautstärke sterben kleinere Säugetiere. Vögel verlieren den Verstand, Hunde jaulen und Katzen kreischen mit. Das machen sie zwar auch bei Helene Fischer, aber das habe ich ihnen auch beigebracht. Was gerne genommen wird, ist Mozart, am liebsten als Mozartkugel. Nur Verdi geht nicht. Denn dann kommt die gleichnamige Gewerkschaft vorbei und schon will meine Belegschaft Gehaltserhöhung. Das toppe ich mit Monteverdi. Der Name klingt zwar wie die italienische Bergarbeitergewerkschaft, ist aber der eines italienischen Komponisten zwischen Renaissance und Barock. Und wenn die Musik nicht hilft, dann hänge ich einfach ein paar Wahlplakate ins Schaufenster. Die vertreiben immer noch am sichersten. In diesem Sinne: Der Nächste bitte.