Mit oder ohne...
… Es war mal wieder Zeit für ein Date … die Empfehlung einer guten Freundin: der Bekannte eines Bekannten eines Bekannten. Sie wissen schon … Wir tauschten über fünf Ecken unsere Telefonnummern aus und verabredeten uns. Ich habe keine Ahnung, was meine Freundin ihm im Vorfeld über mich erzählt hatte – über meine Ansichten zum Thema Gleichberechtigung oder sonstige Einstellungen. Jedenfalls schien er ein bestimmtes Bild von mir im Kopf zu haben und wollte es mir im vorauseilenden Gehorsam besonders recht machen. Sie kennen doch sicher auch diese Typen, die – um Himmels Willen! – nichts Falsches sagen wollen. Man könnte ihnen das ja übelnehmen und wie eine eingeschnappte Leberwurst reagieren … so als erwachsener Mensch. Jedenfalls bemühte er sich den ganzen Abend, mir seine Aufgeschlossenheit zu vermitteln. Egal, bei welchem Thema. Das fing schon bei der Bestellung im Restaurant an. Ob ich denn Fleisch möge oder Fisch. Und dass es ja überhaupt kein Problem sei, wenn ich mich bei den heutigen Standards der Nahrungsmittel-Produktion entschieden hätte, mich vegetarisch oder gar vegan zu ernähren. Dafür habe er vollstes Verständnis. Aus Trotz bestellte ich als Vorspeise ein Carpaccio und als Hauptspeise ein saftiges Steak. Hätte ich auf der Speisekarte ein fleischiges Dessert gefunden, hätte ich auch dieses bestellt. Während ich genüsslich mein Steak verzehrte, stocherte er in seinem Salat, den er vermutlich bestellt hatte, um seine Aufgeschlossenheit in Sachen vegetarischer Ernährung zu untermauern. Dass er den Salat nicht so schmackhaft fand, gab ihm die Gelegenheit, einen Monolog zu präsentieren – zum Thema Gender Mainstreaming. Aufhänger dafür war am Nebentisch die Servicekräftin, die beim Probieren des Weins selbigen nicht der Gästin sondern dem Gast einschenkte. Er echauffierte sich, warum ein Mann eher in der Lage sei, den ausgewählten Wein für gut zu befinden als eine Frau. Ich schaltete ab, ging meinen eigenen Gedanken nach und fragte mich, ob mein Kind – sollte es jemals dazu kommen – mich und seinen Erzeuger als „Eltern“ bezeichnen würde … Leonie Felix