Mit oder ohne …
Kaum ist das neue Jahr ein paar Tage alt, läuft alles wieder in geregelten Bahnen. Nichts hat sich im Vergleich zu 2018 geändert – abgesehen von der Jahreszahl. Aber das ist doch auch kein Wunder. Schon am Silvesterabend hatte sich das abgezeichnet. Apathisch saßen wir um einen großen Tisch. Sechs Freunde – oder auch: drei Pärchen – gesättigt vom Weihnachtsessen und dem Festtagsstress. Betäubt von Raclette und Schoko-Mousse, von diversen Brettspielen und von Bleigießen. Wartend auf das neue Jahr. Doch es war erst kurz vor 23 Uhr und die Zeit wollte nicht vergehen. Als sträubte sich 2018 dagegen, uns zu verlassen … oder 2019 uns zu begrüßen. Schließlich wurden Anstrengungen unternommen, eine Konversation zu entfachen, um so die verbliebenen Minuten zu überbrücken. Und welches Thema eignete sich besser dafür als die üblichen guten Vorsätze für das neue Jahr?
Die Frage danach ließ die Stille, nur unterbrochen von dumpfen, fernen Böller-Geräuschen, noch intensiver wirken. Schweigen bei allen Beteiligten. Krampfhaftes Nachdenken. Nervöses Herumstochern in Essensresten. Dann ein Hoffnung weckendes Geräusch, als meine Freundin ihrem Partner den Ellenbogen in die Rippen rammte und ihm zuraunte: „Du könntest dir vornehmen, in Zukunft weniger zu schnarchen.“ Eine großartige Idee! Viel besser, als das Rauchen aufzugeben oder dem Alkohol abzuschwören! Ich warf meinem Freund sogleich vielsagende Blicke zu, doch er nahm das alles überhaupt nicht zur Kenntnis.
Er räusperte sich bloß, zuckte mit den Schultern und verkündete mit einem Ausdruck von Resignation in seiner Stimme, dass dies doch gar nichts bringe. Erneutes Schweigen. Ich fragte mich, ob meine Freunde einfach nicht darüber reden wollen. Ob ihnen ihre Vorsätze zu peinlich sind … zu banal … zu wenig weltverbessernd. Oder ob sie nicht mal so viel Ehrgeiz besitzen, den Jahreswechsel für eine kleine Herausforderung zu nutzen.
Da platzte es aus meinem Freund heraus: „Immer dieser verdammte Selbstoptimierungsdruck! Ich kann diesen Mist nicht mehr hören.“ Wieder Schweigen. Diesmal vor Entsetzen. Woraufhin ich ihm als guten Vorsatz empfahl, sich öfter mal jemandem anzuvertrauen. Doch das war der Stimmung auch nicht zuträglich … Leonie Felix