Mit oder ohne...
Am vergangenen Wochenende war ich mit einer Freundin abends unterwegs. Uns war nach Schwoofen zumute, weshalb wir in einer Bar hängen blieben, in der lateinamerikanische Musik aus den Lautsprechern drang. Das Tanzen gaben wir jedoch schnell zugunsten eines interessanten Pärchen-Schauspiels auf. Cocktails in der Hand, ein Plätzchen am Tresen mit guter Sicht auf die Tanzfläche … und Bühne frei! Sie wollte unbedingt das proben, beziehungsweise festigen, was die beiden vor einer Weile beim Tanzkurs gelernt hatten. Er blickte etwas skeptisch drein und ließ sich nur widerwillig von ihr zum Schwoof bewegen. Nach einem kurzen Hin und Her mit eher unharmonischer Schrittfolge dann die erste Pause. Genervt stützte er die Hände in die Hüfte und gab ihr zu verstehen, dass sie nicht so schieben solle. Sie sei die Frau und da müsse sie sich schließlich von ihm führen lassen. Mit einer schwungvollen Bewegung warf sie die blonden, lockigen Haare zurück und stieß ein höhnisches Lachen aus. Führen? Wie er denn führen wolle, wenn er die richtige Schrittfolge doch gar nicht kennt … Meine Freundin und ich sahen einander an und konnten ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. Und ob er die richtigen Schritte kenne! Unaufgefordert tanzte er ohne sie – ein klein wenig hölzern, aber jeder Schritt war korrekt und passte zum Rhythmus. Sie zuckte daraufhin unbeeindruckt mit den Schultern und versuchte ihren Unwillen, sich führen zu lassen, mit einer neuen Schuldzuweisung auszugleichen. Um zu vermeiden, dass er ihr auf die Füße tritt und mit seinem Gewicht ihre Zehen zermalmt, sei sie ihm stets einen Schritt voraus. Triumphierend hob er den Zeigefinger und zischte sie an: „Ich sag‘s ja, du lässt dich nicht führen.“ Wie ein Kind, das beim heimlichen Plündern der Süßigkeitenschublade erwischt wurde, stand sie vor ihm. Und als ihr scheinbar kein neuer Vorwurf oder eine andere Ausrede einfiel, verschwand sie wortlos Richtung Toilette. Wir hingegen bestellten uns noch jeweils einen Cocktail und beschlossen, weiterhin dem Solotanz zu frönen. Da ist immerhin eindeutig, wer wen führt … Leonie Felix