Meine Ex sagt …

… Männern fehle es am Bedürfnis nach Zärtlichkeiten. Als Frau verspüre sie da stets ein Defizit. Und mit diesem Mangel stünde sie nicht allein da. Ihren Freundinnen würde es genauso ergehen. Warum verstehen das die Herren der Schöpfung nicht? Es könne doch nicht so schwer sein, ein wenig mehr liebevolle Zuneigung zu zeigen. Ich hatte mir ihren Vortrag geduldig angehört. Dennoch machte ich ihr deutlich, dass ich ihr Fazit für ein verallgemeinertes Vorurteil hielte. Davon hätte ich keine Ahnung, konterte sie, weil ich eben ein Mann sei und deshalb die Gefühlswelt von Frauen gar nicht nachempfinden könne. Genau diese Einstellung sei das Problem, behauptete ich. Mein Widerspruch kam gar nicht gut an. Schließlich setzte ich mein freundlichstes Lächeln auf und neigte mich ihr entgegen. Dann fragte ich, welche Chance ein Mann hätte, einer Frau mit Zärtlichkeit und Zuneigung zu begegnen, wenn sie ihre Meinung gar nicht ändern wollte. Es sei doch vorprogrammiert, dass zwischen beiden stets eine Distanz bliebe. Außerdem versuchte ich ihr zu versichern, dass jeder normale Mann Bedürfnisse nach Nähe und Liebkosungen hätte. Wenn sie fortlaufend solche Erfahrungen machte, sollte sie bitte einmal den eigenen Anteil ihres distanzierten Verhaltens reflektieren. Vielleicht sei ihre schlechte Erfahrung auf dieses festsitzende Vorurteil zurückzuführen und jede erhoffte Nähe zu einem Mann münde immer wieder in eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie erwarte möglicherweise zur Bestätigung ihrer Meinung immer dasselbe Ergebnis. Blödsinn, sagte meine Ex. Kerle seien einfach grober und könnten mit der besonderen Empathiefähigkeit, der Sensibilität und dem Zärtlichkeitspotenzial von Frauen nichts anfangen. Ich hielt ihren Einwand für ziemlich empathielos und unsensibel. In gewisser Weise spiegelt ein Mann immer auch die Ausstrahlung seiner Partnerin wider. Ihre unverrückbare Einsicht würde ihr leider auf Dauer nicht weiterhelfen, behauptete ich. Da hatte ich vielleicht etwas gesagt. Mit großer Empörung wies alles zurück und meinte, ich sei der beste Beweis dafür, wie unsensibel Männer seien. Anders wäre mein mangelndes Verständnis für sie nicht erklärbar. Ich spürte daraufhin, wie mein Entgegenkommen für sie auf den Nullpunkt gesunken war. Thomas Wischnewski

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