Meine Ex sagt …
… so eine Trennung von einem Mann ist ja irgendwie auch wie der Mauerfall. Endlich hat das Eingesperrtsein ein Ende, sie könne wieder durch die Gegend streunen, frei, lustvoll und ohne Rechenschaftspflicht tun und lassen, was sie wollte. Ich sagte ihr, dass mir der historische Vergleich etwas hinke. Schließlich würde man in eine Gesellschaft hineingeboren. Die Entscheidung für eine Partnerschaft sei doch letztlich immer ein wenig selbst gemachtes Leid. Und überhaupt fuße doch Leidensdruck auf einer sehr subjektiven Sicht. Mit dem schönen Wörtchen Papperlapapp, konterte sie meinen Einwand. Es ginge ihr ausschließlich um den Befreiungsaspekt und nicht darum, wie man in diese Misere hineingeraten wäre. Wenn sie es derart verkürzt sehen wollte, bitteschön, aber dann wäre eine Reflexion eigener Fehler und die angemessene Sicht auf den beiderseitigen Anteil beim Scheitern der Beziehung nicht möglich. Aber das war ihr egal. Ich bemerkte wohl, dass sie sich irgendwie ausgelassen und beflügelt zeigte. Ob sie etwa gerade eine frische Trennung hinter sich hätte, wollte ich wissen. Sie bejahte meine Frage. Ich gab ihr daraufhin zu bedenken, dass es langer Übung bedürfe, um das gemeinsame Auskommen über viele Jahre zu lernen. Gibt man jedes Mal schnell auf, würde es später immer schwerer werden, mit einem neuen Partner zusammenleben zu können. Das sagen alle, hielt sie mir entgegen. Sie glaube eher daran, dass sie mit der Zeit gelassener würde und Männern erginge es mit zunehmender Lebenserfahrung sicher ähnlich. Das würde schon funktionieren. Ich gab recht, dass man ab einem bestimmten Alter nicht mehr mit dem Kopf jede Wand einreißen wollte. Andererseits sei man auch weniger bereit, ständig ein neues Haus zu bauen. Ich würde ihr nur die Freiheit schlecht reden wollen, sagte sie noch, stand auf und verließ fröhlich meine Behausung. Ich dachte mir schließlich: Freiheit ist am Ende auch nur eine Illusion, deren Folgen man sich selbst einbrockte. Thomas Wischnewski