Meine Ex sagt…
… ihr Freund sei ein Holzkopf und ziemlich schnell zu durchschauen. Ich unterbrach sie mit der Anmerkung, dass dieses vernichtende Urteil nicht auf eine längere Beziehung zwischen ihnen hindeute. Quatsch, meinte meine Ex, bezüglich der Einfältigkeit wären doch alle Männer gleich, ich eingeschlossen. Was will man als Mann dagegen vortragen? Das ist wie ein Urteil vor höchstrichterlicher Instanz ohne mögliche Rechtsmittel. Ich hatte jedenfalls jeglichen Einwand vermieden und schwieg. Es kam, wie es kommen musste – jedenfalls war mir das in meiner Einfalt klar: Meine Ex störte meine Schweigsamkeit und nahm dies als Beweis für ihre These von der leichten männlichen Durchschaubarkeit. Logisch, dass ich auf stur schalten würde und selbstmitleidig vor mich hin schmollte. Ich fragte sie vorsichtig, welchen Beweisvortrag ich gegen ein höchstrichterliches Frauenurteil vorbringen sollte. Das half mir naturgemäß im Geschlechterdisput nicht weiter und schon gar nicht ihrem Partner. Ich glaubte noch einen Trumpf ausspielen zu können und bediente das Klischee von der weiblichen Komplexität und das für Männer unergründliche Gedanken- und Gefühlsuniversum von Frauen. Wie in einem Schachspiel hatte ich mich selbst mattgesetzt. Im Prinzip hatte ich ihren Schluss damit bestätigt. Siegesgewiss blickte sie auf mich herab. Zwar wusste ich zu keinem Zeitpunkt, welche konkreten Erfahrungen sie für das Urteil über die Durchschaubarkeit von Männern gemacht hatte und ein entsprechendes Bekenntnis war ihrerseits wohl gar nicht vorgesehen. Ich saß in einem Friss-oder-stirb-Moment fest. Zugegeben faszinierte mich, dass sich darin genau die Raffinesse und Intelligenz von Frauen widerspiegelte. In früheren Zeiten wären Männer sicher aufgebraust und laut geworden, hätten mit ihrer körperlichen Überlegenheit aufgetrumpft, um die argumentative Überlegenheit zu durchbrechen. Im Stillen fragte ich mich, ob wir Männer nicht doch von Frauen gelernt hätten, weil wir heute nicht mehr aus jeder Diskussion als Sieger hervorgehen wollten – zumindest glaube ich, dass wir es versuchen. Vielleicht ist es genau dieses Verhalten, in dem Frauen in einen Spiegel sehen, das Abbild nicht erkennen wollen. Im Spiegel einen anderen durch sich selbst erkennen können oder per Verdrängung das Bild als leicht durchschaubar zu halten. So könnte es sein. Das konnte ich aber meiner Ex nicht verraten. Schließlich redeten wir noch eine Weile übers Wetter. Thomas Wischnewski