Meine Ex sagt...

… sie könne diese ständige Trampelei von Männern nicht ab. Wenn sie mit ihrem Freund ausgehen wollte oder anderweitig verabredet wäre, laufe er wie ein unruhiger Tiger durch die Wohnung, nerve fortlaufend mit seinen Fragen, wie lange sie noch brauche und sorge für eine entzündliche Atmosphäre in der Wohnung. Ich fragte, ob sie sich nicht zu einer bestimmten Zeit für den Aufbruch verabredet hätten. Das sei wohl so gewesen, meinte meine Ex, aber es gäbe nun einmal Dinge, die manchmal für eine Verzögerung sorgten. Ob sie die Auswahl der Bekleidung und das kosmetische Tun im Bad meinte, wollte ich wissen. Ich hatte mit der Frage ins Schwarze getroffen. Doch die Kritik an der Ungeduld von Männern solle ich auf keinen Fall unterlaufen. Man müsse doch Verständnis aufbringen, dass die Sorgfalt in den Handgriffen am Haar und im Gesicht Gewicht hätten. Welcher Stress und welche Gefühle sich einstellten, wenn sich eine Frau im Unbehagen über ihr Äußeres sei? Dafür sollten Partner das nötige Einfühlungsvermögen haben. Anderenfalls müsse sie ja annehmen, dass ihnen die Liebste nicht wirklich wichtig sei. Vielleicht würde es funktionieren, wenn sie einfach etwas mehr Zeit für die notwendigen Vorbereitungen einplanen würde? Da hatte ich wieder so eine völlig überflüssige Frage gestellt. Meine Ex sagte, dass sie die Zeit ausreichend bemessen hätte. Allerdings drängelten Männer oft schon weit vor der verabredeten Uhrzeit, erzeugten dadurch Hochdruck, der sie nur unsicher machte und für unnötigen Aufschub sorgte. Ließe ihr Freund sie in Ruhe, würde alles viel schneller gehen. Außerdem müsse sie zwischendurch immer wieder mal Fragen nach diesem oder jenem Hemd beantworten, erklären, wohin sie die blauen Socken getan hätte oder die Karten fürs Theater herauslegen. Unter solchen Umständen gerate jeder Zeitplan aus den Fugen. Da hatte sie natürlich Recht. Wie man als Mann auch nur denken könnte, dass man keine Schuld an derlei Verzögerungen haben würde. Bestimmt hätte das etwas mit Einsteins Relativität der Zeit zu tun, meinte ich. Frauen und Männer existierten halt in Paralleluniversen. Deshalb von zeitgleichen Abläufen und Zeitpunkten auszugehen, sei in der Tat ein eindimensionales Männerverständnis. Und da sich das männliche Geschlecht häufig für Physik interessierte, müsste ihnen der Zusammenhang eigentlich klar sein. Ich erntete einen ungläubigen Blick. Plötzlich schaute meine Ex auf die Uhr, sprang auf und musste sofort los. Fast hätte sie einen Termin mit ihrer Freundin vergessen. Sie sei schon über die Zeit und eilte davon. Ich blickte dem Paralleluniversum, von dem ich wirklich nichts verstand, kopfschüttelnd hinterher. Thomas Wischnewski

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