Meine Ex sagt …
… nichts. Sie schweigt und verbreitet eine eigenartig melancholische Stimmung im Raum. Ihre Schweigsamkeit ist wirklich ungewöhlich und ich weiß nicht so recht, wie ich damit umgehen soll. Möglicherweise zeigt sie aber nur einen Spiegel meiner eigenen Bedrückung. Denn ich trage mich seit einiger Zeit mit dem Gedanken, ihr etwas anvertrauen zu wollen. Und bedrückender als es schon ist, konnte es in diesem Moment wohl nicht werden. So nehme ich meinen Mut zusammen und offenbare ihr, dass meine Freundin Probleme damit hat, dass sie mich öfter besucht. Ich selbst spürte darunter eine Gewissenslast, weil ich nicht wollte, dass meine Partnerin einen Bedeutungsverlust erleben und Vertrauen zu mir verlieren könnte. Ich fragte sie, ob sie dafür Verständnis hätte und wir unsere Gespräche bei mir Zuhause nicht einstellen könnten. Die Traurigkeit in der Mimik meiner Ex verwandelte sich zu Entrüstung. Und es dauerte nicht lange, bis sie mich mit Vorwürfen überschüttete. Ich solle meiner Liebsten mal reinen Wein einschenken, dass wir nur eine platonische Freundschaft pflegten und sich zwischen uns nichts, aber auch gar nichts auf einer tieferen emotionalen Ebene abspielte. Es nutzte nichts, dass ich ihr gestand, dies meiner Freundin alles bereits genauso gesagt zu haben. Ich solle gefälligst nicht solchen Eifersüchteleien nachgeben. Und wenn meine Partnerin damit nicht umgehen könnte, müsse sie sich an die eigene Problemnase fassen. Natürlich hatte sie Recht, es war ja nichts außer Freundschaft zwischen uns. Obwohl ich emotional fest verbunden war, fühlte ich, als säße ich zwischen zwei Stühlen. Meine Ex sagte, dass sie unsere Freundschaft nicht aufgeben wolle. Es gehöre doch zu so einer Verbindung, dass man sich in vielem unterstützte. Ich hatte klar die Schwarze-Peter-Karte in der Hand. Das Bekenntnis zu meiner Freundin – an dem ich keinen Zweifel hegte – würde meine Ex ein für allemal aus meinem Leben katapultieren. Ich hatte keine andere Wahl und sagte ihr es genauso deutlich. Das waren meine letzten Worte. Sie stand auf, ging zur Tür, wendete sich noch einmal um und verließ mit der Bemerkung meine Wohnung: Sie hätte damit kein Problem. Wenn meine Freundin zur Ex mutierte, käme sie wieder. Lange müsse sie darauf nicht warten. Thomas Wischnewski