Hengstmanns andere Seite: Husch! Husch! Husch! Die Eisenbahn!
Ach ja, ja! Die gute alte Eisenbahn. Sie wurde, seit der „Adler“ am 08. Dezember 1835 das erste Mal schnaufend und dampfend Passagiere von Nürnberg nach Fürth zog, oft beschimpft und selten gelobt. Doch trotz aller Ärgernisse über die bis heute andauernden Verspätungen wurde die gute alte Eisenbahn kurioserweise auch mehrfach mit Liedern bedacht.
So wurde auf fast jeder Geburtstagsfeier das lustige Lied von der „Schwäb’schen Eisenbahne“– die da gar viele „Haltstatione“ hat, besungen. Oder die Bimmelbahn, die im Böhmer Wald, da wo der Wind weht so kalt, den Berg herabgefahren kam. Dieses Liedchen dürfte auch noch allen in den Ohren klingen. Ja, und da war doch noch das Lied von der „Kleinen Marei“, die man fragte, wo der Vater denn sei. Eine ideologisch gewollte ultimative Lobhudelei auf Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn in der DDR. Die letzte Zeile des Refrains lautete: „Flinke, flinke, flinke Eisenbahn“! Trotzdem kursierte unter den Fahrgästen der Reichsbahn der Scherz, dass nun bald ein neues Kursbuch der „DR“ herauskommen würde. Zehn Seiten Schienenersatzverkehr und fünfzig Seiten Wanderlieder.
Selbst das sogenannte Schlagerfach widmete sich der Eisenbahn. Am bekanntesten dürfte wohl der Zug des Christian Anders sein. Dieser Zug, der tausende Male besungen wurde, hatte immer das gleiche Ziel: Nämlich „Nirgendwo“!
Sicher gibt es auch Lieder über die „Transsibirische Eisenbahn“, und im legendären „Orientexpress“ wurde sicher auch gesungen, aber laut Agatha Christie auch mehrfach gemordet.
Unvergessen – weil immer wieder gern gehört – ist Glenn Millers „Chatanooga Choo Choo“. In dieser Swingikone hört man wirklich einen von der Ostküste zur Westküste donnernden Zug. Genial! Diese Eisenbahnnationalhymne wurde aber auch adaptiert. In den 1960er Jahren sang damals Bully Buhlan auf diese Melodie: „Entschuldigen Sie, ist das Zug nach Kötzschenbroda“.
Am bekanntesten ist wohl die Version von Udo Lindenberg als er fragte, ob das denn der Sonderzug nach Pankow sei. Dieser Lindenbergtitel stand aber im Osten Deutschlands auf dem Index. Er durfte nicht im Rundfunk der DDR zu hören sein. Und wenn ein „ostzonaler“ DJ - ... Verzeihung -bei uns hieß das nicht DJ, sondern schlicht und ergreifend „Staatlich geprüfter Schallplattenunterhalter“, kurz „SPU“. Wenn also so ein „SPU“ auf einer Disco diesen Titel spielte, musste er dringend damit rechnen, dass man ihm die Spielerlaubnis auf Dauer entzog. Das nannte man dann wohl Klassenkampf auf den Schienen.
Was aber könnte man heutzutage für Lieder über die Deutsche Bahn schreiben? Sicher erst mal keine innigen Liebeslieder. Frierende Reisende auf kalten Bahnsteigen, auf denen man nicht mal mehr rauchen darf, obwohl man sich auf einem Bahnsteig an freier Luft bewegt, würden sicher eher die klassische deutsche Literatur bedienen.
So ließe sich aus Schillers Wallenstein ein berühmtes Zitat zu einem Lied umwandeln – bezugnehmend auf Grund des Frierens: „Spät kommt er, aber er kommt“! Also der fahrplanmäßig erwartete Zug. Oder der alte Schlager: „Warte, warte noch ein Weilchen“ könnte sich zu einem deeskalierenden Wartekampflied etablieren.
Oder eine musikalische Elogie auf den wieselflinken „ICE“. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h bringt er metaphorisch das Schienennetz zum glühen.
In tiefster Vergangenheit stand in den von einer Dampflok gezogenen Personenzügen das Hinweisschild: „Blumenpflücken während der Fahrt verboten“! Ja! Man schaute aus dem Abteilfenster und konnte die an sich vorbei „zuckelnde“ Landschaft genießen. Grasende Kühe auf saftigen Weiden. Man sah auch „Täler weit, oh Höhen“! Man konnte damals noch das frugale Mal, welches die „MITROPA“ im Speisewagen anbot, mehr oder weniger genießen. Meistens kaltes Schnitzel und Bockwurst mit Kartoffelsalat. Aber zur Ehrenrettung der „MITROPA“! Es gab immer „Radeberger Export“!
Und saß man auf einem Sitzplatz im Zugabteil, der sich genau über einer Eisenbahnwagenachse befand. Dann spürte man dieses permanente „Dadam! Dadam!“ Auf so einem Sitzplatz muss dereinst auch Frederic Chopin gesessen haben. Sonst hätte er seine berühmte „Revolutionsetüde“ Opus 10 No. 12 in C- Moll nie komponieren können.
Aber raus aus den nostalgischen Zügen und zurück ins hier und heute. Wenn man mit 330 Sachen durch die Gegend donnert, dann sieht man nichts mehr von der Landschaft. So könnte man die nächste Generation der „ICEs“ aus Sparsamkeitsgründen ohne Fenster bauen. Als Ausgleich zum fehlenden Landschaftsgenuss werden dann grasende Kühe und „Täler weit, oh Höhen“ auf den Flachbildschirmen im Zugabteil über DVD eingespielt. Natürlich mit entsprechender musikalischen Untermalung.
Das Motto sollte also lauten: „Neue Lieder braucht die Bahn!“ Und diese neuen Lieder genießen wir dann gerade in der Urlaubszeit laut singend in vollen Zügen. Das Signal hierfür sollte auf „Grün“ stehen.