Gedanken- & Spaziergänge im Park: Organisierte Unordnung

Auf unserem letzten Spaziergang fragte ich Gerd etwas scheinheilig – scheinheilig deshalb, weil ich mir seine Antwort schon denken konnte –, wie er denn die kürzlich erfolgte Befragung unserer Kanzlerin im Bundestag gefunden hätte. „Also, ich will Dir mal was sagen“, antwortete er erregt, „wenn meine Tante Hilde ihr Kaffeekränzchen zu Gast hat, geht es lebhafter, interessanter und streitlustiger zu. Interessanterweise brachten ja im Vorfeld die Fernsehsender Aufnahmen aus dem britischen Unterhaus. Wenn da, ich glaube wöchentlich, die Premierministerin für 30 Minuten Rede und Antwort zu stehen hat, ist da wirklich was los! Harte Fragen, harte Antworten, Protestrufe, laute Unmuts- oder Beifallskundgebungen. Dagegen wirkte unser Gröbaz doch eher wie eine Rentnersauna.“ „Gröbaz? Was soll das nun wieder sein?“ „Gröbaz ist die Abkürzung für Größter Bundestag aller Zeiten, 709 Abgeordnete. Das englische Unterhaus hat nur 500.“

Da hatte er Recht und diese 500 Abgeordneten, die dann so lebendig streiten, sitzen auf langen grünen Bänken recht eng beieinander. „Vielleicht liegt es an dieser Unbequemlichkeit, dass die englischen Abgeordneten so lebendig oder auch aggressiv erscheinen. Unsere Abgeordneten fläzen sich in ihren bequemen blauen, drehbaren und vor- und zurückschiebbaren eleganten Sesseln, das macht sicher auch träge. Dazu haben sie auch im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen noch kleine Tischbretter, auf denen sie mit ihren Handys oder Tablets spielen können.“ „Möglich“, erwiderte Gerd. Wir waren uns bald einig, dass diese Veranstaltung, die wir im Fernsehen miterleben durften, einfach lächerlich war. Keine harten Fragen und schon gar nicht zu wirklich heiklen Dingen. Selbst die AfD, von der man ja diesbezüglich hätte einiges erwarten können, kam relativ brav daher. Das Thema, was unserer Meinung nach einen Großteil der Bevölkerung wirklich interessiert, nämlich die geradezu skandalösen Zustände des BAMF wurde kaum berührt. Und auf die diesbezügliche Frage antwortete Frau Merkel, dass sie mit Herrn Weise mehrfach gesprochen habe. Da fragt man sich wirklich, worüber haben die beiden denn gesprochen, über das Wetter? Oder hat Herr Weise gesagt, alles sei nicht ganz in Ordnung und Frau Merkel antwortete: „Sie werden das schon machen, Herr Weise.“ Wie dem auch sei, die Abgeordneten gaben sich mit dieser nebulösen Antwort anscheinend zufrieden. Das ist wirklich nicht zu fassen, die Missstände in Bremen mit dem tausendfachen Durchwinken falscher Asylanträge sind doch nur die Spitze des Eisberges!

Woanders sieht es doch sicherlich nicht entschieden besser aus bei der Masse der Anträge und der Ungeübtheit des Personals. Eigentlich hätte man ja schon hellwach werden müssen, als der Bundeswehroffizier Franco A. (die Anklage wegen Terrorismusverdacht u.ä. wurde ja kürzlich fallen gelassen) sich für einen geflüchteten Syrer ausgab und – obwohl er kein Wort Arabisch konnte – als Flüchtling anerkannt wurde und die entsprechenden Gelder kassierte. Aber die falsche Verdächtigung wegen eines angeblichen politischen Anschlages war viel wichtiger als der dadurch erfolgte massive Hinweis auf eine Riesenschlamperei. „Eigentlich müsste man den Franco A. noch nachträglich auszeichnen für die dadurch erfolgte Offenlegung des Behördenversagens“, meinte Gerd. Ich erinnerte an einen Text von Wolf Biermann, in dem es heißt: „bei uns herrscht Ordnung wie bei den sieben Zwergen.“ Er meinte damals zwar die DDR, aber dieser Satz wäre sicherlich auch auf deutsche Verhältnisse vor über 80 oder 100  Jahren durchaus zutreffend gewesen.

Aber heute? Die sieben Zwerge würden vermutlich aus diesem unordentlichen Haushalt schreiend flüchten! Auch dem kleinen deutschen Michel war doch klar, dass 2015 eine Behörde von etwa 300 Mitarbeitern diesem überraschenden hunderttausendfachen Ansturm durch Merkels Blitzentscheidung nicht gewachsen war! Die Folge war, dass sicher auch unfähige, aber auch ideologisch vorgeprägte Mitarbeiter eingestellt wurden. An den massiven Auswirkungen kranken wir jetzt alle. Und der brave Steuerzahler steht für alles gerade. Kürzlich schrieb die Wirtschaftswoche, dass etwa 45 Millionen Euro Beraterhonorare von dem BAMF an die Firma McKinsey gezahlt worden wären. Wofür bitte? Nur damit das alles so schlecht läuft wie vorher? Bzw. alles beim Alten bleibt? Die wahren Gründe sind doch bekannt: Das war nicht nur der Ukas 2015 der Bundeskanzlerin, sondern auch, dass es seit Jahrzehnten keine Regierung geschafft hat, ein Einwanderungsgesetz zu beschließen. Im Gegenteil: dauernd wurde großspurig getönt, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei! Solch ein Unsinn. Aber auch Politiker und natürlich auch die Journalisten sprechen wider besseres Wissen immer nur von „Flüchtlingen“. Dabei weiß doch jeder, dass wir da mindestens drei Gruppen unterscheiden müssen: die politisch oder aus anderen Gründen verfolgten Asylsuchenden, die entsprechend unseres Grundgesetzes Asyl zu bekommen haben, Kriegsflüchtlinge, die zeitweilig (!) subsidiären Schutz bekommen können und Einwanderer aus tausenderlei anderen Gründen, die gemäß eines zu schaffenden Einwanderungsgesetzes zu behandeln wären. Aber genau davor drücken sich die Regierungen und die Parteien seit Jahrzehnten.

Wenn es aber um das eigene Geld geht – dann kann es ganz schnell gehen. Das neueste Beispiel: die Parteien der GroKo haben den Antrag auf eine 15-prozentige Erhöhung der Parteienfinanzierung gestellt, raffinierter Weise kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft, der in einer Woche durchgewinkt werden soll. „Ach“, seufzte Gerd da, „warum kann nicht Herr Kurz unser Bundeskanzler und Wien unsere Hauptstadt sein?“

Um von diesem Thema abzulenken, fragte ich Gerd, wie er über die beiden türkischen Fußballer unserer Nationalmannschaft denken würde? Das regte ihn nicht groß auf. „Weißt Du“, erwiderte er, „diese berühmten Fußballer sind doch nichts anderes als die alten römischen Legionäre, die sagten: wo‘s mir gut geht, ist mein Vaterland. Also heute: wo ich am meisten verdiene, ist mein Vaterland. Mit Nationalgefühl oder Vaterland hat das alles nichts mehr zu tun. Ich denke, die sind auch nicht von selbst auf diese Idee gekommen sich mit Erdogan zu treffen, sondern ein Wahlberater von Erdogan hat sie für ein stattliches Sümmchen dafür engagiert sich so öffentlich mit Erdogan zu zeigen, weiter nichts. Befremdlicher finde ich es, dass wenige Tage später Steinmeier sie auf ihren Wunsch hin empfing. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Präsident mich sogleich empfangen würde, wenn ich ihn darum bitten würde.“ Paul F. Gaudi

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