Gedanken- & Spaziergänge im Park: Naturschutz verrückt
Auf der Webseite von T-Online konnte man kürzlich lesen, dass die staatlichen Erstattungen für Schäden, die durch Wölfe verursacht wurden, inzwischen 1,1 Millionen Euro erreicht haben. Auch in Bundesländern, wo bisher nur vereinzelt Wölfe auftauchten wie in Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz haben sich die Erstattungssummen innerhalb eines Jahres vervielfacht. Bekanntlich sind die staatlichen Stellen meist nicht sehr großzügig und jeder Schaden wird genauestens geprüft, sogar mit DNS-Untersuchungen, sodass man davon ausgehen kann, dass die realen Schäden vermutlich größer sind.
Aber das ist nur die materielle Seite, also die gerissenen Tiere. Von den ideellen Schäden wird überhaupt nicht geredet. Wie viele Tierhalter oder Schäfer sind darüber verzweifelt oder verlieren sogar die Lust an ihrem Beruf? Darüber gibt es kaum Angaben. Die politischen Theoretiker in den Ministerien empfehlen dann höhere Zäune oder bessere Hütehunde. Man fragt sich, ob die jemals einen Schäfer bei seiner Tätigkeit über längere Zeit erlebt haben. Dazu kommen noch die Schäden, die die Wölfe bei den wild lebenden Tieren verursachen. Diese bleiben meist unerwähnt.
Wie kommt man nur darauf, dass die Wölfe neuerdings zu unserer Landschaft gehören sollen? In Deutschland gibt es so gut wie keine unberührte Natur mehr. Selbst uns als ursprünglich erscheinende Wälder sind in den hunderten von Jahren mehrfach durch Menschen verändert worden. Mitteleuropa, ja fast ganz Westeuropa ist keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft, unabhängig davon, ob man das für gut oder nicht für gut erachtet. Und in eine Kulturlandschaft passt nun mal ein in Rudeln jagendes Raubtier nicht hinein! Wenn man sich wenigstens an die uralten Regeln der Jäger und Förster halten würde, die durch Bejagung einen bestimmten Bestand der Wildtiere regulierten und dafür sorgten, dass keine Art auf Kosten der anderen überhandnahm. Nein, der Wolfsschutz ist absolut und es ist anscheinend egal, dass sich die Zahl der Wölfe in drei Jahren fast verdoppelt hat!
Der Laie wundert sich und fragt sich, wo der Nutzen dieser Auffassung ist. Ich sehe den einzigen Nutzen für sehr wenige darin, dass das Auftauchen des Wolfes zu einigen Posten und Arbeitsstellen geführt hat. Die Theoretiker wollen uns dann auch noch weismachen, dass die Meinungen über die Wölfe nur unangebrachte Vorurteile wären, die uns schon im Kindesalter durch Märchen vom bösen Wolf anerzogen worden wären. Hier wird offensichtlich Ursache und Wirkung verwechselt: der Wolf bekam die Rolle des bösen Tieres in den Märchen eben deshalb zugeschrieben, weil er ein gefährliches Raubtier ist. Man kann nur froh sein, dass sich nicht plötzlich sibirische Tiger auf den Weg nach Mitteleuropa machen. Ich befürchte, dass sich dann bestimmte Naturschützer vor Freude in die Hosen machen würden!
Ein ähnliches Problem findet sich bei der Behandlung der Kormorane. Diese bilden an den großen Seengebieten im Norden unseres Landes große Kolonien und sind eine erhebliche Belastung für die Binnenfischer, da sie dank ihrer großen Zahl den Fischbestand dezimieren. Auch hier behindert ein falsch verstandener Naturschutz eine vernünftige Reduzierung der Kolonien.
Ähnliche Probleme kennen ja auch die Städter. Wildschweine verwüsten Parks und Gärten, Füchse machen Jagd auf Geflügel in Randgebieten. Kürzlich erzählte mir eine ältere Bekannte aus Elbenau, dass ein Fuchs über die Mauer gesprungen sei und ihre sechs Hühner auf dem Hof gerissen und fortgeschleppt habe. Es dauert immer lange, bis Maßnahmen zur „Vergrämung“ der ungebetenen Gäste ergriffen werden. Dabei wirkt ein rechtzeitig durchgeführter Abschuss oft sehr nachhaltig. Bestes Beispiel: der Rotehornpark in Magdeburg.
Zu einer wahren Landplage entwickelt sich die stetig wachsende Population der Waschbären. Das sind ganz gewiss keine possierlichen Tiere. Sie sind gute Kletterer und damit eine große Gefahr für unsere Vogelwelt, deren Neste sie ausplündern. Anscheinend gibt es keine durchgreifenden Maßnahmen gegen sie. So sollten wir uns nicht wundern, wenn die Zahl unserer Vögel abnimmt und das nicht stereotyp auf eine reduzierte Anzahl der Insekten aufgrund des Klimawandels zurückführen. Was wird zum Beispiel gegen die große Zahl von Krähenvögeln in den Städten getan? Auch Krähen sind Nesträuber. In meiner Kindheit gab es in den Städten die Krähen eigentlich nur im Winter. Sobald es Frühling wurde, zogen sie in die Elbwälder. Heute leben sie das ganze Jahr über in den Städten und wühlen in den Papierkörben.
Bei neu gebauten Brücken, wie zum Beispiel die neue Elbbrücke bei Schönebeck, werden über einen Meter hohe Sichtbehinderungen über die gesamte Flussüberquerung eingebaut. Keiner der Insassen des Autos kann auf den Fluss schauen. Angeblich soll das dazu dienen, dass Vögel nicht von den Fahrzeugen erfasst werden! Jahrzehntelang fahre ich Auto und habe noch nie bei einer Brückenüberquerung einen Vogel erwischt oder tote Vögel auf den Brücken liegen sehen. Anscheinend sind die Vögel deutlich klüger als ihre Beschützer. Wenn das ein Vogelschutz sein soll, so wäre es ja wohl viel sinnvoller vor und hinter den großen Windrädern Plexiglaswände aufzustellen, denn dort gehen tatsächlich viele Vögel durch die riesigen Propeller zugrunde.
Gerd hatte kürzlich einen interessanten Gedanken, als er auf der in Sachsen-Anhalt sehr bruchstückhaften A14 nach Norden fuhr. Nebenbei: in Brandenburg und Mecklenburg ist die A14 nahezu fertig im Gegensatz zu unserem Bundesland. Klagt der BUND dort weniger oder stellen die beiden anderen Länder es irgendwie klüger an? Naturschutzgebiete werden auch dort durchquert. Doch zurück zu Freund Gerd. Als er in der Altmark die noch nicht ganz fertigen „Grünbrücken“ sah, dachte er, ob das nicht ein gefundenes Fressen für unsere lieben Wölfe sei? Die bräuchten sich doch dann nur am Ende der Brücken auf die Lauer zu legen und auf die herannahenden Leckerbissen zu warten. Und er überlegte, ob er nicht dem Umweltministerium den Vorschlag machen sollte, jeweils zwei solcher Brücken zu bauen: eine für Fleischfresser und eine andere für Pflanzenfresser.
Ich wollte ihn aufmuntern und erzählte ihm von einem Artikel in der Volksstimme, wo ein Landwirt „glückliche Kühe“ aufzieht, die allerdings später trotzdem geschlachtet werden. Seine Idee ist, dass der künftige Kunde schon jetzt „seinen“ späteren Braten kennenlernen kann und auch Fotos von ihm bekommt. Gerd aber fand das entsetzlich scheinheilig. „Ich stelle mir vor“, sagte er, „was die Kinder einer Familie, die das Heranwachsen eines Kälbchens so verfolgt und es vielleicht auch einmal gestreichelt haben, wohl für Augen machen, wenn sie es nun scheibchenweise und gebraten am Sonntag zu Mittag serviert bekommen!“ Eine gruselige Vorstellung.
Aber auch bei der Pflanzenwelt gibt es im Naturschutz für den Laien manches schwer Begreifbare. Ich denke an die Fotos, die kürzlich vom Nationalpark Harz durch die Presse gingen – grauenhaft! Ein toter Wald vom fleißigen Kollegen „Berti Borkenkäfer“ Schritt für Schritt vernichtet, ohne dass dagegen mit allen möglichen Mitteln eingegriffen wird. Die Verwaltung des Nationalparks stellt sich auf den Standpunkt, dass die Natur es schon irgendwann richten werde und ist dem Borkenkäfer scheinbar sogar noch dankbar, dass er diesen Vernichtungsfeldzug so siegreich durchführt. Wie lange das „irgendwann“ dauern wird, darüber schweigen die Herrschaften sich aus.
Ich denke, sie wissen es auch nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin nur heilfroh, dass die Ärzte, die ich hin und wieder konsultieren muss, nicht die gleiche Einstellung haben. Wenn unsere Medizin auch die Auffassung vertreten würde, dass „die Natur es schon richten würde“, dann wäre die Sterblichkeit wohl sehr, sehr hoch und die oft genug prophezeite Vision von einer Überalterung der Gesellschaft bestünde dann bestimmt nicht mehr. Paul F. Gaudi