Die Stadtfelder: Frühjahrssorgen

Unsere Enkeltochter Frieda kommt regelmäßig zu Besuch, meistens freitags nach der Schule, wenn keine Arbeitsgruppen oder andere Aktivitäten stattfinden. Wir unternehmen gemeinsam was oder helfen ihr bei den Hausaufgaben – sofern wir überhaupt in der Lage sind zu helfen. Wir haben ein festes Ritual: Sie stürmt freudestrahlend herein, umarmt ihren Opa und mich ganz fest und danach setzen wir uns erstmal alle gemeinsam an den Esstisch. Es gibt Kakao für Frieda, Kaffee für die Erwachsenen und natürlich auch Kuchen oder Kekse. Als sie uns vor zwei Wochen besuchte, blieb das Ritual zunächst jedoch aus. Sie kam in die Wohnung, vergaß uns zu umarmen und guckte ein wenig traurig und geistesabwesend drein. Darauf angesprochen schilderte sie uns, dass sie unserer Nachbarin – eine junge Frau, mit der wir Tür an Tür wohnen – begegnet war und diese ganz rote, verheulte Augen gehabt und kaum ein „Hallo“ herausgebracht hätte. Frieda wirkte sehr besorgt und stellte viele Fragen, die wir selbstverständlich nicht beantworten konnten. Also mutmaßten wir, dass vielleicht jemand aus der Familie verstorben sein könnte, um unsere Enkelin zu beruhigen. Es folgten weitere Fragen, aber irgendwann gab sie auf und ließ sich von Gegenfragen nach ihrem schulischen Alltag ablenken. Eine Woche später ein ähnlicher Ablauf. Wieder hatte Frieda im Treppenhaus unsere Nachbarin mit roten, verheulten Augen angetroffen. Wieder stellte sie Fragen. Und wieder mutmaßten wir, dass sie sich vielleicht mit ihrem Freund gestritten haben könnte. Frieda wirkte nach jedem Satz ein wenig trauriger und ich hatte Sorge, dass dieses Thema sie noch länger beschäftigen würde. In dieser Woche trafen sich schließlich unser aller Wege auf dem Hof – Frieda kam aus der Schule, die Nachbarin war auf dem Weg zur Bibliothek und ich brachte den Müll raus. Unsere Enkeltochter konnte ihre Neugier nicht zügeln und fragte die junge Frau ganz direkt, warum sie so viel weinen müsse. Diese blickte ganz verdutzt drein und fing plötzlich an zu lachen. Heuschnupfen, erklärte sie uns. Sie sei allergisch auf Pollen. Frieda und ich waren erleichtert und unsere Nachbarin ganz gerührt, weil sich die Kleine Sorgen gemacht hatte. Genießen Sie den Frühling, trotz der Pollen, und achten Sie aufeinander, Ihre Inge www.diestadtfelder.de

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