In der Falle statistischer Einzelfälle

Haben Sie auch schon gehört, dass es sich bei bestimmten Vorfällen stets um Einzelfälle handelt, die man um Gottes Willen nicht verallgemeinern darf? Das ist völlig korrekt, einen Einzelfall darf man nie verallgemeinern. Man muss Einzelfälle erst sammeln und dann eine Wissenschaftsdisziplin benutzen, um sie zu verallgemeinern. Diese Disziplin heißt Statistik, sie lebt sozusagen vom Einzelfall, denn gebe es ihn nicht, könnte auch keine Verallgemeinerung stattfinden. Ein Beispiel: Sie kennen alle die Geschichte vom Großvater, der mit 97 Jahren verstorben ist. Er hat immer geraucht. Jetzt kommt die unzulässige Verallgemeinerung: Obwohl er immer geraucht hat, ist er 97 Jahre alt geworden. Manche sagen vielleicht sogar „Nur weil er geraucht hat…“ Wie dem auch sei. Eine derartige Verallgemeinerung ist falsch. Die Sammlung von Einzelfällen hat ergeben, dass Rauchen gefährlich, ja sogar tödlich ist. Wer mir jetzt nicht glaubt, geht sich bitte sofort eine Schachtel Zigaretten kaufen und liest das Cover.

Also merken wir uns: Wir müssen die Einzelfälle sammeln, bevor wir eine Verallgemeinerung durchführen dürfen. Die Verallgemeinerung wird dann im Allgemeinen in Prozent als relative Häufigkeit angegeben, also z.B.: Frauen verdienen 21 Prozent weniger als Männer, wie uns jüngst die Presse informierte. Soweit klar. Jetzt will ich die Sache aber etwas komplizierter machen. Nehmen wir mal als Beispiel eine Schulklasse mit, sagen wir mal, 20 Mädchen und 10 Jungen. Es handelt sich also um 30 Schüler. Jetzt fragen wir die Kinder, wer, als er ganz klein war, mit Puppen gespielt hat. Es melden sich 13 Mädchen und 2 Jungen. Das Geschlecht interessiert uns aber erst einmal noch nicht, wir wollen nur wissen, wieviel Prozent der Kinder mit Puppen gespielt haben. Also rechnen wir: 15 Schüler geteilt durch 30 Schüler = 0,5 x 100% = 50%. Jetzt dürfen wir völlig korrekt sagen, 50 Prozent der Kinder haben mit Puppen gespielt. Nicht falsch, aber auch nicht ganz sinnvoll. Es kommt hier nämlich auf die sogenannte Grundgesamtheit an. Ändert die sich, ändern sich die Zahlenwerte. Rechnen wir also nochmal unter der Annahme, dass wir nur die Mädchen betrachten: 13 Mädchen mit Puppen geteilt durch 20 Mädchen in der Klasse = 0,65 x 100% = 65%. Also 65 Prozent der Mädchen haben mit Puppen gespielt. Rechnen wir bei den Jungen nach: 2 Jungen mit Puppen geteilt durch 10 Jungen = 0,2 x100% = 20%. Über dreimal mehr Mädchen als Jungen haben mit Puppen gespielt. Da gibt es nichts mehr zu diskutieren, es sei denn, meine Ausgangszahlen sind falsch. Das kann hier durchaus sein, denn ich habe sie nur fiktiv angenommen, um ein Beispiel zu rechnen. Die Methode aber ist verallgemeinerungsfähig. Sie können sie auf beliebige Sachverhalte anwenden, z.B. auf die Kriminalitätsstatistik in Magdeburg.

Reduzieren sie die Kriminalfälle auf den Hasselbachplatz, dann nochmals auf das Wochenende und sie werden stets andere Zahlen bekommen. Die sogenannten Grundgesamtheiten lassen sich beliebig festlegen, erweitern, aber auch einschränken, die Aussagen werden dadurch allgemeiner oder spezieller. Versuchen Sie mal, zwecks Übung, selbst weitere Einschränkungen zu formulieren, z.B. für den Hasselbachplatz durch  Einbeziehung des Alters, der Ethnie usw. Fassen wir zusammen: Verallgemeinern Sie nie ein Einzelbeispiel sondern vertrauen Sie nur der Statistik. Die „lügt“ zwar auch, wenn man es geschickt anstellt, aber das sollte hier nicht gezeigt werden. Und fragen Sie stets nach der einbezogenen Grundgesamtheit, damit Sie die Aussagen auch bewerten können, sonst erklärt Ihnen noch jemand, dass früher 50 Prozent aller Schüler als Kinder mit Puppen gespielt haben, weil er obiges Beispiel unzulässig verallgemeinert hat. Prof. Dr.-Ing. Viktor Otte

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