100-Prozent-Gerechtigkeitsmann

Mister 100-Prozent Martin Schulz, der SPD-Kanzlerkandidat, spach am 28. August auf dem Magdeburger Alten Markt über Prozente. Vor allem über solche, die als Beleg für Ungerechtigkeiten in Deutschland stehen. Natürlich hat er da in vielerei Hinsicht recht, aber nicht in jeder. Und die Ansprache zeigte auch, dass nicht jede Statistik an jedem Ort passt. Doch so ist das mit Wahlkampfreden. Sind sie erstmal geschrieben, werden sie wie ein Programm abgespult. Es sei ungerecht, dass Frauen in Deutschland 21 Prozent weniger verdienen würden als Männer. Ja, wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn erhalten als ein Mann, ist das eine bodenlose Ungerechtigkeit. Es ist richtig, dass sie öfter in schlecht bezahlten Bereichen arbeiten. Doch Männer verdienen in solchen leider auch nicht mehr. Das ist ebenso wahr. Bereinigt man die Statistik dahingehend, dass man wirklich Unterschiede im Einkommen gleicher Branchen berücksichtigt, bleibt noch eine Differenz von 6 Prozent übrig. So ermittelte es jedenfalls das Statistische Bundesamt. Und in Sachsen-Anhalt ist es noch anders als es Martin Schulz darstellt. Im Bundesvergleich ist Sachsen-Anhalt nämlich das einzige Land, in dem Frauen statis-tisch sogar mehr verdienen als Männer. Mit einem Durchschnittsverdienst von 2.439 Euro pro Monat tragen sie gegenüber dem männlichen Geschlecht 40 Euro mehr nach Hause. Warum? Weil hierzulande mehr Frauen Vollzeitjobs haben. Vor allem im Westen arbeiten sie öfter in Teilzeitarbeitsverhältnissen. Gut bezahlte Industriearbeitsplätze sind in Sachsen-Anhalt leider Mangelware. Dafür schaffen die Damen häufiger in Verwaltungen, pädagogischen und Gesundheitsbereichen mit Tarifbindungen. Für solche Sicherheiten würde sich mancher Mann die Finger lecken. Aber in Sachsen-Anhalt wird künftig noch viel mehr Gerechtigkeit einziehen, weil das Land mit Dr. Andrea Blumtritt nach zehn Jahren endlich wieder eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte berufen hat. Bisher waren die Aufgaben in den Händen einer Ministerin der Landesregierung. Wenn dann endlich die Quotenvorgaben des Koalitionsvertrages erreicht sind, steht Sachsen-Anhalt wenigstens im Einkommensbereich im Vergleich zu den anderen Bundesländern an der Spitze. Solche Spitzfindigkeiten konnte Martin Schulz wahrscheinlich nicht wissen. Aber solche Fakten benennen zu können, hätte ihm gut zu Gesicht gestanden und Kompetenz ausgestrahlt. Leider kommt er in diesem Fall nicht auf eine Gerechtigkeitskompetenzquote von 100-Prozent. Thomas Wischnewski

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